Historische Siedlungsformen

In der Prignitz finden sich eine Fülle noch gut erhaltenen Dorfstrukturen, mit dem Auftreten unterschiedlicher Haustypen und einer bemerkenswerten Dichte an Dorfkirchen. Viele kleine Schritte des Bewahrens und Erneuerns, die schon gegangen wurden, um wertvolle Bausubstanz zu erhalten, tragen zum Erhalt einer einzigartigen Kulturlandschaft bei.

Zu den charakteristischen Dorfformen in der Prignitz gehören neben den vielen Runddörfern auch die Straßen- und die Angerdörfer. Seltener sind Haufendörfer, Gassendörfer, Zeilendörfer und Marschhufendörfer. Die Dorfform definiert sich aus der Grundrissform und der Bebauungsdichte.

Entwicklung

Die in der Westprignitz vorherrschende Dorfform war das Runddorf (Rundling). Rundlinge treten im gesamten Gebiet des mittelalterlichen deutsch-slawischen Grenzsaumes auf. Die Dorfform lässt sich jedoch weder den Deutschen noch den Slawen eindeutig zuordnen.

„Der Rundling tritt nur dort auf, wo zu Beginn der deutschen noch den mittelalterlichen Kolonisation eine slawische Besiedlung vorhanden war, die sich in kleineren oder größeren Resten noch in die deutsche Zeit hinein hielt. Er ist außerdem nur dort entwickelt, wo sich ackerbaufähige Böden finden, die zur Dreifelderwirtschaft geeignet sind.“ (Krenzlin, 1952, S. 111 f.)

Zu den in frühdeutscher Zeit von den Slawen bevorzugten Siedlungsformen zählt die einreihige Zeile (Zeilendorf), aus der sich vielfach die Gasse (Gassendorf) entwickelte. Dies lässt sich aus der Verteilung der verschiedenen Besitzklassen innerhalb der Dörfer interpretieren. Häufig nahmen die Bauern oder Hüfner den einen Flügel des Dorfes ein, dessen Inneres sich rund gestaltete. Den anderen, oft unvollkommenen Flügel bewohnten die Kossäten und Büdner.

Für die Slawen, die vorrangig Viehzucht betrieben, war die Zeile die günstigste Siedlungsform. Sie lag immer am Rand der Niederung, so dass ihre Hinterhöfe und Gärten weit in die Niederung hineinragen konnten. Diese oftmals eichenbestandenen Grashöfe waren als Koppeln für das Vieh unentbehrlich und zugleich der wertvollste Weidebezirk in der ganzen Feldmark.

Durch die Aneinanderreihung der Höfe entlang der Niederung fand jeder Bauer die gleichen Bedingungen, und er konnte seinem Hof einen beliebig langen Grashof angliedern. Die Entwicklung der Dörfer zu den geschlossenen Formen des Platzdorfes, des Rundlings oder der Sackgasse zeigt, dass die Bauern an der Niederung bleiben wollten. Dicht drängten sich die Höfe zusammen. Ställe, Scheunen und Häuser entstanden dort, wo sie den wertvollen Grashof möglichst nicht verkleinerten. Die schlechtesten Hofplätze, auf der Höhe, blieben den jüngeren Bevölkerungsschichten. Meistens waren das Kossäten und Büdner. In Kuhblank beispielsweise blieb die Einteilung der Höfe über viele Jahrhunderte gleich. Die Höfe Nr. 1 - 10 gehörten den Hüfnern bzw. Bauern, die Höfe Nr. 11 – 13 den Kossäten. Die Nummerierung der Hofstellen beginnt noch heute in der Mitte des Runddorfes, mit der Hofstelle des ehemaligen Dorfschulzen (Nr. 1).

Zu den von den Slawen in frühdeutscher Zeit bevorzugten angelegten Dorfformen gehören neben dem Zeilen- und Gassendorf auch der Weiler, das Haufendorf und das enge Straßendorf. Es ist jedoch nicht auszuschließen, dass diese Dorfformen ein Ergebnis späterer Einflüsse sind und dass in vordeutscher Zeit der Weiler die größte Rolle spielte.

Die bewegte Geschichte der Prignitz hat es mit sich gebracht, das wir heute auf eine Siedlungslandschaft blicken können, die wie kaum eine andere Region in Deutschland, eine Fülle von Siedlungsformen aufweist: ein Reichtum für Bewohner und Touristen gleichermaßen.

Rundlinge

Die bekannteste Form der Rundplatzdörfer ist der Rundling. Platzsiedlungen kennzeichnen einen zentralen Platz, der sich in Allgemeinbesitz befindet und damit anschaulich das Gemeinschaftselement dieser Siedlungsform belegt. Die Hofstellen gruppieren sich in gekrümmter Gehöftreihung um einen runden, hufeisenförmigen oder ovalen Platz, mit ursprünglich nur einer Zufahrtsstraße. Die Wohnhäuser sind zum Dorfplatz ausgerichtet. Den baulichen Abschluss bilden die Scheunen, die das Dorf wir ein Ring umschließen. Dahinter liegen die wertvollen Grashöfe, die sektorenförmig in die Landschaft übergehen.

Beispiele: Abbendorf, Ferbitz, Glöwen, Grube, Hinzdorf, Klein Lüben, Kuhblank, Lanz, Lennewitz, Quitzöbel, Roddan, Weisen, Wentdorf, Alt-Groß Breese, Alt-Groß Lüben, Alt-Klein Breese, Alt-Kuhblank

Zeilendörfer

Zeilendörfer sind kleine, einreihige Siedlungen. Sie besitzen keinen Dorfinnenraum. Charakteristisch ist die dichte Anordnung der Hofstellen, die bis zu einer Bauweise mit geschlossenen Fassaden führen kann. Formal lassen sich Zeilendörfer als in der Längsrichtung halbierte Anger- oder Straßendörfer bezeichnen.

Beispiele: Garsedow, Jagel, Lenzersilge, Seedorf

Angerdörfer

Um und nach 1200 entstanden viele Anger- und Straßendörfer. Sie sind vor allem den deutschen Siedlern zuzuordnen. Angerdörfer sind planmäßige Siedlungen, deren Gehöfte einen relativ großen Platz, den Anger, umschließen. Er bildet meistens eine runde, ovale, rechteckige oder dreieckige Straßenerweiterung mit einer linearen Abgrenzung zu den Hofflächen. Der Anger besitzt i.d.R. zwei Zugänge, die in ihrer Anordnung zueinander korrespondieren. Häufig findet sich auf dem Anger der Gemeindeteich, die Schule oder die Kirche.

Beispiele: Bentwisch, Schilde

Straßendörfer

Straßendörfer zeigen die regelmäßige Bebauung eines innerörtlichen Weges, an dem die Gehöfte zweizeilig, wie um eine Achse aufgereiht sind. Der Begriff „Straße” meint bei den Straßendörfern nicht unbedingt einen überörtlichen Verkehrsweg, sondern eher eine mehr oder weniger breite Gasse, an der sich der überwiegende Teil der Hofstellen orientiert. Je nach Breite der „Straße” lassen sich enge und breite Straßendörfer unterscheiden.

Straßendörfer: z.B. Gandow, Groß Breese, Mankmuß, Mellen, Motrich

Gassen-, Sackgassendörfer

Gassen- oder auch Wegedörfer besitzen die Merkmale von Straßendörfern, ihre zentrale „Straße” ist jedoch schmal und kurz. Vielfach entwickelten sich Gassendörfer aus einreihigen Zeilendörfern, die sich an günstigen geografischen Bedingungen orientierten, z.B. dem Rand einer Niederung. Das Sackgassendorf ist eine Sonderform des Straßendorfes. Das Wegenetz endet blind in einer oder mehreren Gassen.

Beispiele: Bälow, Bernheide, Kletzke, Groß Lüben, Moor, Uenze

Marschhufendörfer

Marschhufendörfer gehören wie die Waldhufendörfer oder die Moorhufendörfer zu den Reihendörfern. Dabei handelt es sich um lineare Siedlungen mit lockerer Reihung der Hofstellen mit hofanschließender Streifenflur. Die Gehöftreihung orientiert sich direkt oder parallel an einer natürlichen oder künstlichen Linie. Das können Deiche, Dämme, Kanäle oder Wege sein. Die Marschhufendörfer der Lenzer Wische sind den flämischen Siedlern zuzuordnen.

Beispiele: Baarz, Besandten, Kietz, Mödlich, Unbesandten, Wootz

Einzelhöfe, Doppelhöfe, Weiler

Einzelhöfe bestehen aus einer Haus oder Hofstätte. Neben landwirtschaftlichen Hofstellen handelt es sich häufig um Forsthäuser, Gasthäuser, Mühlen oder Bahnhöfe. Beispiele: Forsthaus Jackel, Sandkrug.

Eine Übergangsform zum Weiler bildet der Doppelhof, der oft durch Teilung entstanden ist. Als Weiler werden kleine Gruppensiedlungen zwischen 3 und 20 Haus- und Hofstätten bezeichnet, die keine eigene Verwaltung oder sonstige Versorgungseinrichtungen besitzen.

Beispiele: Lütjenheide, Schadebeuster

Autorin: Silke Last, Stadt- und Regionalplanerin. Auszüge aus „Ländliche Baukultur im Prignitzer Elbtal“

Literaturnachweis: Krenzlin, Anneliese: Dorf, Feld, Wirtschaft im Gebiet der großen Täler und Platten östlich der Elbe, Bd. 70, Remagen 1952.