Dem Rühstädter Elbdeichrundweg auf der Spur

Es ist Freitagmorgen, 9.00 Uhr und Ende Juni. Als wir uns entscheiden, den Rühstädter Elbdeichrundweg zu erkunden, brennt uns schon die Sommersonne auf die Haut und erwärmt die frische Morgenluft. Wir - das sind Magda, eine Bundesfreiwillige und ich: Louisa, Commerzbank-Umweltpraktikantin, beide ursprünglich aus dem Süden Deutschlands. Ins europäische Storchendorf Rühstädt hat es uns verschlagen, weil wir unsere Berufserfahrung in der Verwaltung des Biosphärenreservats Flusslandschaft Elbe - Brandenburg erweitern wollen. Über die insgesamt sechs Kilometer Rundweg halten wir uns an einen grünen Punkt als Wegemarkierung. Für einen idyllischen und ruhigen Streifzug durch die Prignitzer Natur fernab von Menschenmassen ist diese Runde perfekt. Lust auf 90 Minuten Kraft tanken? Los geht’s!

Den ersten grünen Wegepunkt entdecken wir direkt vor dem NABU-Besucherzentrum Rühstädt. Dieses Gebäude beherbergt nicht nur den NABU, sondern auch die bereits genannte Biosphärenreservats-Verwaltung und die Naturwacht. So lädt Ausgangs- und Ankunftspunkt des Rundwegs zu allerlei Wissenswertem rund um den Weißstorch und anderes Getier ein. Wir folgen dem Pfeil unterm grünen Punkt nach links Richtung Wohnmobilparkplatz und Hauptstraße. Dort angekommen, biegen wir nach links und verlassen die Hauptstraße direkt in der Kurve und halten uns rechts in Richtung des Feldwegs, welcher weg vom Dorfkern führt. Nach einem Gewächshaus zu unserer Rechten fällt unser Blick auf den nahezu versteckten, aber romantisch daliegenden Teich. Einmal über den Holzsteg, lädt die Bank unter der Trauerweide für einen Blick auf die ruhige Wasseroberfläche und einen Moment Ruhe ein. „Ach ist das schön hier“, denke ich mir und schließe für einen kurzen Moment die Augen.

Nach dieser kleinen, aber feinen Pause kehren wir zurück auf den Weg, der uns durch den Außenrand von Rühstädt in Richtung Deich führen wird. Beim letzten Haus der Bebauung geht es rechts ab und wir kommen durch landwirtschaftlich genutzte Flächen, die von Obstbäumen am Wegesrand gesäumt sind. Nur ein paar wenige Minuten ist es her, dass Magda und ich den schützenden Schatten der Trauerweide am Teich hinter uns gelassen haben. Doch schon jetzt empfinden wir die Freiflächen zwischen Rühstädt und dem vor uns liegenden kleinen Waldstück als zu warm und schwül. Als uns die ersten Fahrradfahrer:innen des Tages überholen, trennen uns noch wenige Schritte von den Schatten spendenden Bäumen. Auch dem Grünstreifen beziehungsweise mittlerweile eher dem „Gelb-Streifen“ am Wegesrand kann man die vielen heißen Sommertage ansehen. Treten wir darauf, knistert das vertrocknete Gras. Die hochgewachsenen Wiesen zu beiden Seiten des Weges sind ebenso staubtrocken, doch das in-aller-Ruhe-äsende Reh stört das nicht. Die meiste Zeit ist das Tier nicht zu entdecken, so hoch ist das Gras. Nur wenn es Ausschau hält, wer des Weges kommt, kommt sein braunes Köpfchen kurz zum Vorschein. Die Geradlinigkeit dieses, aber auch einiger anderer Wege hier oben springt mir Mal wieder ins Auge.

Immer geradeaus geht es hinein und durch das kurze Waldstück. Den Chor aus Vogelstimmen hören wir sogar noch, als wir direkt vor dem Deich stehen. Wir folgen dem grünen Punkt nach rechts und können dabei entscheiden, ob wir oben auf der Deichspitze oder hinter dem Deich spazieren möchten. Beides hat seine Vorzüge. Wir gehen oben entlang, denn uns gefällt die Sicht auf die recht hochstehende Elbe und ihre grünen Auen, in denen es fröhlich quakt und raschelt. Wer dort ruft, bleibt verborgen. Denn diese Seite des Deichs ist Naturschutzgebiet. Das heißt konkret: Betreten verboten und Hunde anleinen. Zu groß ist die Gefahr, seltene Bodenbrüter oder andere empfindliche Bewohner des einzigartigen Ökosystems zu stören oder gar aus ihrem selten gewordenen Lebensraum zu vertreiben. Andererseits besticht der Weg hinterm Deich durch seine Ruhe, denn abgeschirmt von der Geräuschwelt der Flussseite kann der Blick über Wald und Felder streifen. Mit etwas Glück können Störche, Milane oder Krähen bei der Futtersuche beobachtet werden. Und manchmal sieht man sogar einen Fasan den Weg kreuzen.

Die Uhr zeigt halb zehn als wir so dahin schlendern, uns über Vögel und unsere zukünftigen Pläne unterhalten. Während uns die Sonne den Rücken wärmt, lassen wir unsere Blicke und Gedanken schweifen: Ein Tag lässt sich definitiv schlechter beginnen, sind wir uns einig. Während wir den Rundweg ablaufen, überprüfen wir gleichzeitig, ob die neue Beschilderung des Weges an allen notwendigen Stellen angebracht und gut sichtbar ist. Bisher können wir nichts beanstanden. Flussauf- und abwärts machen wir verschiedenste Grüntöne aus, die gemähten Seitenhänge des Deichs sind nach der sengenden Hitze der letzten Wochen jedoch eher senfgelb als sattgrün. Die Trockenheit und der fehlende Regen tun ihr Übriges - und das tagelang, wochenlang. Trotz allem malen die verschiedenen Gelb-, Grün- und anderen Farbtöne der Deichpflanzen ein schönes Landschaftsbild.

Am nächsten Wegweiser tauschen wir Deichweg und Elbe-Aussicht gegen Betonplatten-Weg und weitreichende Felder zurück nach Rühstädt. Wir folgen dem grünen Punkt nach rechts, von wo wir bereits die Spitze des Rühstädter Kirchturms und die weiße Steinsäule des Schlosshotels sehen können. Immer wieder kommen wir an kleinen grünen Inseln mit Sträuchern, Bäumen und höheren Gräsern am Rande des Weges vorbei. Rechts von uns stauben Mähdrescher und Traktoren um die Wette. Mit einem Affenzahn heizen die vollgeladenen Traktoren mitsamt ihren Hängern im Pulk an uns vorbei. Wir stellen uns grade noch rechtzeitig an den Feldrand, drehen den Kopf gen Feld und weg vom Traktor. So stehend, zücke ich die Kamera, um die blauen Kornblumen am Wegesrand einzufangen. Am Nachmittag recherchiere ich, dass die Kornblume als Symbolblume in den verschiedensten Bereichen Bedeutung genoss. Für Schriftsteller wie Goethe, Hoffman oder von Eichendorff symbolisierte sie beispielsweise Spiritualität und Natürlichkeit. Das seltene Glück eine einsam vor sich hin brummelnde Hummel an einer Kornblume einzufangen, erfreut mich persönlich sehr. Das daraus entstandene Bild zeigt mir immer wieder, wie schön und einzigartig spontane Momente sein können.

Nachdem die zweite Kolonne an Landwirtschaftsmaschinen an uns tatsächlich staubfrei vorbeibrettert, biegen wir vor der Strauchhecke nach links ab Richtung Rühstädt. Magda und ich finden beide, dass es hier noch einen grünen Punkt mit Pfeil nach links bedarf, weil nach rechts auch eine Art plattgetrampelter Grasweg abgeht. Gesehen, der zuständigen Kollegin in der Biosphärenreservats-Verwaltung gemeldet und weitergelaufen. Der Schlosspark begleitet uns ein ganzes Stück lang Richtung Dorfkern. Das dazugehörige Schlosshotel begrüßt nach einer Corona-Zwangspause gerade wieder seine ersten Gäste. Kurz bevor wir auf Rühstädts Dorfstraße treten, laufen wir am Storchenbalkon vorbei: Ein Balkon, von dem aus man einen guten Blick auf naheliegende Storchennester hat. Kein Balkon, auf dem Störche nisten. Ich erwähne das so konkret, weil mir das anfangs nicht bewusst war und ich zu Beginn meiner Praktikumszeit gefühlt wochenlang dem mysteriösen Storchenbalkon auf der Spur war. Bis meine Mitpraktikantin so nett war, mich auf diesen Umstand hinzuweisen.

Der nächste Wegweiser, der für Radfahrer:innen als Knotenpunkt 43 rot markiert ist, bietet einen bunten Strauß an Wegemöglichkeiten. Wir wenden uns nach rechts auf die gewundene Hauptstraße, die fast das gesamte Dörfchen durchzieht. Links von uns steht die Dorfkirche, rechts von uns erhaschen wir einen Blick auf ein Bilderbuchmotiv des Schlosshotels: Die gepflasterte Auffahrt, gesäumt von großen Bäumen auf der einen und hübsch hergerichteten Wohnhäusern auf der anderen Seite. Eine steinerne Brücke führt schließlich über ein Rundell mit einem Steinbrunnen bis zum Schlosshotel. An diesem Tag erregt aber etwas ganz anderes, viel Verführerisches unsere Aufmerksamkeit: Gegenüber der Dorfkirche steht ein türkiser Foodtruck. Die sympathische Betreiberin aus Berlin bietet pikante und süße Waffeln sowie frische Smoothies und Säfte an. Das können Magda und ich uns nicht entgehen lassen! Mit einer süßen Erdbeer-Sahne-Waffel und einer pikanten Waffel mit Rucola, Tomaten und Parmesan bewaffnet, setzen wir uns auf die Bank der Dorfkirche und lassen es uns schmecken. Während wir da so sitzen, blicken wir den wenigen Passanten nach, von der einige in die Töpferei im Schafstall abbiegen. Nachdem wir unsere kulinarische Überraschung vertilgt haben, folgen wir noch ein paar Schritte der Dorfstraße und biegen zurück zum NABU-Besucherzentrum links ab. Zurück vor dem Gebäude sind wir uns einig: Den Rühstädter Elbdeichrundweg empfehlen wir als kurzweiligen und idyllischen Spaziergang auf jeden Fall weiter! Weitere Infos zum Wanderweg sind hier zu finden.

Autorin: Louisa Bahl, seit September 2019: Studentin des M.Sc. Environmental Governance, Albert-Ludwigs-Universität Freiburg im Breisgau Mai - August 2021: Commerzbank-Umweltpraktikantin im Biosphärenreservat Flusslandschaft Elbe - Brandenburg, Projekt: ELBE PARKS

Gebiet

  • Biosphärenreservat Flusslandschaft Elbe

Meldung vom 10.08.2022