Erdäpfel aus Mellen (Westprignitz)

Bereits als kleiner Junge sammelte Reinhold Jacobs auf dem Hof seiner Eltern Kartoffeln. Auch während seines Studiums zum Diplom-Agraringenieur mit Zusatzstudium zum Fachingenieur für Pflanzenzüchtung interessierte er sich wegen ihrer vielseitigen Verwendbarkeit für die Kartoffel. Inzwischen beschäftigt er sich seit fast 50 Jahren (2021) beruflich mit ihr. Im Jahr 1992 kehrte Jacobs nach 20 Jahren am Institut für Kartoffelzüchtung in Böhlendorf (Bezirk Rostock) in seine Heimat zurück und übernahm den Hof. Dieser befindet sich nun schon seit vier Generationen im Besitz der Familie Jacobs! Hier setzte er in Kooperation mit einer Züchtungsfirma die Kartoffelzüchtung nebenberuflich fort.

Reinhold Jacobs baut nicht nur die klassischen Kartoffelsorten an, sondern arbeitet in Kooperation mit einem Zuchtunternehmen auch an eigenen, neuen Züchtungen. Das erklärt er wie folgt: Die Kartoffel ist eine Zwitterpflanze, das heißt sie kann sich selbst bestäuben. Für die Züchtung einer neuen Sorte ist das natürlich unerwünscht, da durch die Kreuzung zweier Sorten Verbesserungen erreicht werden sollen. Deswegen ist es notwendig, die Eigenschaften beider Sorten genau zu kennen. Um verschiedene Sorten zu kreuzen, entfernt der Züchter rechtzeitig vor der Eigenbestäubung die Staubblätter der Mutterpflanze und bestäubt die Mutterpflanze mit den Pollen der Vaterpflanze. So wachsen an der Mutterpflanze neue Beeren, eine Kreuzung zwischen ihr und der Vaterpflanze. Die Beeren entwickeln sich von Juni bis August. In den Beeren befinden sich die Samen der Kartoffelpflanze. Im darauffolgenden Jahr sät der Kartoffelzüchter diese in einer Anzuchtschale aus. Keimende Pflänzchen kommen dann in einen Topf, das sind die Sämlinge.

An diesen Sämlingen wachsen die Knollen, von denen pro Pflanze nur eine in die weitere Züchtung gelangt, da alle Knollen einer Pflanze genetisch gleich sind. Reinhold Jacobs lagert diese Knollen ein und pflanzt sie im nächsten Jahr – also im dritten des Züchtungsprozesses – mit ausreichend Abstand zueinander in das Feld. Nachdem die Pflanzen und Knollen Zeit hatten zu wachsen, erntet der Kartoffelexperte ausgewählte Knollen. Routiniert spricht Jacobs hier von einem Stamm, der im Anschluss bonitiert wird. Dabei werden die Qualität und Merkmale des Stammes erhoben und entschieden, ob der Stamm weiterverwendet wird. In diesem Falle pflanzt Reinhold Jacobs den Stamm als sogenannten „A-Stamm“ und führt während 4 bis 5 Jahren regelmäßige interne Züchtungsprüfungen durch. Es folgen eine Vorprüfung und in weiteren zwei Jahren eine Wertprüfung. Im zehnten Jahr kann schließlich der Stamm durch das Bundessortenamt offiziell als neue Kartoffelsorte zugelassen werden.

Voraussetzung für eine Sortenzulassung ist, dass der Stamm in fast allen Eigenschaften die Standardkartoffelsorten übertrifft. Dazu muss der Stamm über Jahre hinweg im Durchschnitt bessere Ergebnisse liefern als die Standardsorten. Die Züchtung einer neuen Sorte ist daher ein langwieriger Prozess. Vor allem die Virus- und Nematodenresistenz und die Speisequalität sind wichtig. Bei Nematoden handelt es sich um kleine Fadenwürmer, die in die Wurzel der Kartoffelpflanze eindringen und sich dort vermehren. Dadurch kann sich die Pflanze nicht weiterentwickeln, es wachsen nur kleine Knollen.

Reinhold Jacobs war bereits mit drei Kartoffelzüchtungen erfolgreich. In den Jahren 2004 und 2009 wurden die Stärkekartoffelsorten Toccata und Danuta zugelassen. Die Pommeskartoffelsorte Ottawa bekam 2011 die Zulassung. Inzwischen wurde Danuta als Sorte zurückgezogen. Das sei okay, meint Züchter Jacobs, immerhin führte sie das Bundessortenamt für 10 Jahre. Das Durchschnittsalter von Kartoffelsorten liegt bei neun Jahren.

Der Mellener beschäftigt sich jedoch nicht nur mit Neuzüchtungen, auch der Erhalt alter Kartoffelsorten liegt ihm am Herzen. Sie stellen eine wertvolle genetische Ressource dar und können zum Vergleich hilfreich sein. Die alten Kartoffelsorten spiegeln die Entwicklung von vor 100 Jahren bis heute wieder. Oft waren die Kartoffeln rauschaliger und ihre Augenlage tiefer. Sie waren erst im Oktober erntereif. Züchtungserfolge sind also unter anderem früher erntereife Sorten (ab Juli). Doch auch die Ansprüche der Verbraucher haben sich seit dem geändert, heute sind glatte und leicht waschbare Knollen gewollt. In großen Mengen können alte Sorten nicht mehr angebaut werden, denn sie verfügen nur über eine schwache Virus- und keine Nematodenresistenz.

Für den Hobbygärtner empfiehlt Jacobs den Anbau von zwei bis drei Sorten. Besonders eignen sich Kombinationen aus einer sehr frühen, einer frühen und einer mittelfrühen Sorte. Schön wäre es auch, von jedem Kochtyp eine Sorte zu nehmen, festkochend, vorwiegend festkochend und mehlig kochend. Wichtig ist, gegen Nematoden resistente Sorten zu wählen. Außerdem ist ein frühes vorkeimen ab Mitte März ratsam. Gepflanzt werden die Kartoffeln dann um den 10. April, in Abhängigkeit von der Bodentemperatur (6 bis 8 Grad). Reinhold Jacobs rät zu den Kartoffelsorten Belana und Vineta. Oder auch Laura, wer eine rote Kartoffel möchte. Erfolgreiche Sorten aus der damaligen DDR sind Karlena und Adretta, die bereits seit 1988 bzw. 1975 und auch heute noch zu den offiziell zugelassenen Sorten zählen.

 

Die Autorin Magdalena Haag absolviert einen ökologischen Bundesfreiwilligendienst im Biosphärenreservat Flusslandschaft Elbe.

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  • Biosphärenreservat Flusslandschaft Elbe

Meldung vom 04.11.2020