Vogel des Jahres - Das Braunkehlchen im Europäischen Vogelschutzgebiet „Unteres Elbtal“
Als Bewohner strukturreicher Wiesen und Weiden gehört das Braunkehlchen zu den Arten, die ganz besonders unter der Nutzungsintensivierung unserer Kulturlandschaft leiden. Aus diesem Grunde wurde es nach 1987 wieder zum Vogel des Jahres vom Naturschutzbund Deutschland ausgerufen.
Das Braunkehlchen ist etwa 12 bis 14 Zentimeter groß und wiegt etwa 15 bis 20 Gramm. Die Oberseite ist braun, schwarz gemustert und der Bauch ist weißlich. Kehle und Brust sind orangebraun gefärbt. Das Männchen hat einen weißen Überaugenstreif und einen weißen Kinnstreif. Zum Singen und bei der Ansitzjagd von Insekten sitzt das Braunkehlchen gern auf Weidepfählen und Halmen.
Anfang bis Mitte April kehrt das Braunkehlchen aus seinem Winterquartier im subtropischen Afrika in sein europäisches Brutgebiet zurück. Es baut sein Nest in der Regel am Boden, bevorzugt am Fuß einer größeren Staude oder eines Busches, nach oben gut durch Halme oder Ähnliches getarnt. Ende April bis Anfang Juli erfolgt die Eiablage. Ein Gelege besteht meist aus sechs grünblauen Eiern. 11 bis 13 Tage später schlüpfen die Jungen, die das Nest nach weiteren 11 bis 15 Tagen flugunfähig verlassen, sich jedoch bis zur Flugfähigkeit im Alter von 17 bis 19 Tagen in Nestnähe verstecken. Zweit- und Ersatzbruten sind üblich.
Schwerpunkte des Vorkommens vom Braunkehlchen im Europäischen Vogelschutzgebiet sind extensiv genutzte Grünlandgebiete, Acker- und Grünlandbrachen, Ruderalflächen sowie Rand- und Saumstrukturen in der Agrarlandschaft. Die Bevorzugung feuchter Habitate in der Kulturlandschaft ist primär auf deren extensive Nutzung und eine entsprechend reichhaltige Insektennahrung zurückzuführen. Das Vorkommen von Weidezäunen, ungenutzten Grabenrändern und wenigen Gehölzen ist ein wichtiger Faktor für die Besiedlung genutzten Grünlandes. Hecken, Büsche oder Baumreihen werden jedoch nur zu einem gewissen Anteil toleriert.
Für den Zeitraum der Jahre 2014 bis 2017 wurde der Bestand im Vogelschutzgebiet vom Landesamt für Umwelt auf 500 bis 550 Reviere geschätzt. Innerhalb einer 4.070 ha großen Referenzfläche ist der Bestand aktuell leicht von 167 auf 176 Reviere angestiegen. Da die normale jährliche Populationsschwankung zwischen 30 bis 50 % liegt, dürfte der Bestand gleichgeblieben sein.
Eine besonders hohe Siedlungsdichte weist die Deichrückverlegung bei Lenzen mit aktuell 77 Revieren auf einer Fläche von 427 ha auf.
Die fortlaufende Entwässerung, Grundwasserabsenkung und Trockenheit führt zu fortlaufendem Verlust von Bruthabitaten für das Braunkehlchen. Zudem werden durch den Bau der Autobahn A14, Baumaufwuchs in den Randbereichen des Rambower Moores sowie durch die angestrebte Sukzession zu Auwald in der Deichrückverlegung bei Lenzen weitere Flächen verloren gehen. Frühe Mahd und intensive Beweidung führt zum Verlust von Gelegen. Um eine erfolgreiche Brut zu ermöglichen ist ein Mindestabstand vom ersten zum zweiten Schnitt von acht Wochen notwendig. Üblich sind heute aber fünf bis sechs Wochen. Sogar Weg-, Graben- und Gewässerränder sowie kleine Gehölze im Grünland werden nicht ausgekoppelt und mitgemäht.
Zum Erhalt und zur Verbesserung des Erhaltungszustandes des Braunkehlchens sollten die Wasserstände in Feuchtgrünlandgebieten als Bestandteil der allgemeinen Extensivierung des Grünlandes erhöht werden. Das Grünland sollte extensiv mit begrenzter Weidetierdichte (max. 2-3 Tiere/ha) während der Brutzeit und späten Mahdterminen (Ende Juni/Anfang Juli) zum Schutz der Gelege und Nestlinge bewirtschaftet werden. Bei einer früheren Mahd als Ende Juni/Anfang Juli können zum Schutz des Braunkehlchens ungemähte Randstreifen bis zu 5 m Breite entlang der Parzellengrenzen, Zäune und Grabenränder verbleiben. Die Mahd und Räumung von Gräben sollte nicht vor August erfolgen. Auch ruderale Ackerbrachen mit Hochstauden und extensivierte oder ungenutzte Ackerrandstreifen helfen dem Braunkehlchen. Da das Braunkehlchen Gehölzaufwuchs nur zu einem gewissen Teil toleriert, sollten von Graben- und Wegrändern sowie Brachen zu starker Gehölzaufwuchs entfernt werden. Zudem sollte das Braunkehlchen in der Deichrückverlegung als Zielart für die halboffene Weidelandschaft und das Feuchtgrünland aufgenommen werden.
Die Autorin Marion Korsch ist Rangerin im Biosphärenreservat Flusslandschaft Elbe.
Gebiet
- Biosphärenreservat Flusslandschaft Elbe
Meldung vom 16.02.2023