Neobiota in der Region

An dieser Stelle möchten wir gebietsfremde und invasive Arten aus der Tier- und Pflanzenwelt im Biosphärenreservat vorstellen. Diese Tiere und Pflanzen würden natürlicherweise nicht in Deutschland vorkommen. Der Mensch brachte sie in die Kulturlandschaft. Diese Arten werden Neobiota genannt. Doch ab wann ist eine Pflanze ein Neophyt (bei Pflanzen) oder ein Neozoe (bei Tieren) oder bereits heimisch? Das Jahr 1492 gilt als ein Scheidejahr, um eine Einordnung in heimische oder gebietsfremde Arten zu treffen: Arten, die sich nach diesem Jahr in Deutschland etablierten, werden als Neobiota eingeordnet. Arten, die bereits vor diesem Jahr anzutreffen waren, gelten als heimische Arten.

Die Chinesische Wollhandkrabbe - Ein pelziger Global Player

Eine Krabbe im Wasser
Chinesische Wollhandkrabbe (Eriocheir sinensis) im Wasser. Foto: Christian Fischer / wikipedia CC BY-SA 3.0

Die Chinesische Wollhandkrabbe (Eriocheir sinensis) verdankt ihren Namen dem charakteristischen „Haarpelz“ an den Scheren, vor allem der männlichen Tiere. Darüber hinaus zeigt sich die olivgrüne bis braune und der mit Beinen bis zu 30cm großen Krabbe eher unauffällig. Die Art besiedelt größere Flüsse und deren Nebengewässer, wo sie sich u.a. von Insektenlarven, Muscheln, Schnecken, kleineren Fischen und Aas ernährt.

Die Fortpflanzung und die Entwicklung der Jungkrabben erfolgt jedoch im salzigen Wasser, weshalb die Art regelmäßig im Spätsommer massenhafte Wanderungen in Richtung Meer vollzieht Dabei werden auch größere Hindernisse, wie z. B. Wehre, einfach auf dem Landweg umgangen. Nach der Paarung geben die Weibchen ihre Eier in der Brackwasserzone der Flussmündungen ab. Anschließend sterben die Elterntiere. Die Entwicklung zur Jungkrabbe dauert bis zu zwei Jahre. Erst dann beginnen die Tiere die Flussläufe hinaufzuwandern.

Die Chinesische Wollhandkrabbe stammt ursprünglich aus Ostchina. Anfang des 20. Jahrhunderts ist sie wahrscheinlich mit dem Ballastwasser von Handelsschiffen nach Europa eingeschleppt worden. In der Folge kam es zu invasionsartigen Ausbreitungen vor allem in den großen in die Nordsee mündenden Flüssen und deren Nebengewässern. So gedeiht die Art auch in der Havel ganz prächtig.

Hierzulande verursacht der Neubürger eine Reihe nachteiliger Auswirkungen. So kann die Wollhandkrabbe in Nahrungskonkurrenz mit anderen gewässergebundenen Arten treten. Sie ist außerdem Überträger der Krebspest, eine parasitische Pilzerkrankung, die vor allem Flusskrebse befällt und die hiesigen Bestände gefährdet. Durch massenhaftes Graben von Höhleneingängen kann es in Einzelfällen zudem zu Schäden an Uferbauten und Dämmen kommen. Einen schlechten Ruf genießt die Wollhandkrabbe auch bei vielen Anglern und Fischern, da die Tiere die Köder vom Haken fressen, Angelschnüre, Fischernetze zerschneiden und verheddern sowie in Reusen gefangene Fische töten und fressen.

Seit 2016 wird die Chinesische Wollhandkrabbe auf der Unionsliste der invasiven, gebietsfremden Arten geführt: Link zum Dokument

Das Bundesamt für Naturschutz hat aus diesem Grund ein Maßnahmenblatt erarbeitet, das als Grundlage für das Management dieser Art dient: Link zum Dokument

Natürlich gibt es auch Positives zu berichten. In China gilt die Art als Delikatesse und wird dort eigens gezüchtet. Nach einem Artikel in der Stuttgarter Zeitung (2.Sept. 2013) wurden gar Wollhandkrabben aus der Elbe in China via Internet beworben und erfolgreich verkauft. Warum also nicht aus der Not eine Tugend machen? So veredelt und verkauft beispielsweise der traditionsreiche Fischereibetrieb Schröder bei Havelberg seine Wollhandkrabben-Fänge aus Elbe und Havel und erhöht dadurch seinen Umsatz ( www.fischerei-schroeder.eu ). Auch für flexible Angler kann die Art von Vorteil sein, denn Wollhandkrabben sind Spitzen-Köder für viele einheimische Fischarten und werden zudem seltener von ihren Artgenossen vom Haken gefressen!

 

Der Riesenbärenklau – tückische Imposanz in der Prignitz

Kleiner Bestand mit Riesenbärenklau, Foto: Claudia Schröter
Kleiner Bestand mit Riesenbärenklau, Foto: Claudia Schröter

Der ursprünglich im westlichen Kaukasus beheimatete Riesenbärenklau (Heracleum mantegazzianum SOMMIER & LEVIER), auch unter dem Namen Herkulesstaude bekannt, wurde im Laufe des 19. Jahrhunderts als „dekorative“ Gartenpflanze nach Europa eingeführt. Mittlerweile hat sich die Art vor allem in den westlichen Bundesländern flächig ausgebreitet. In der Prignitz wurde der Erstnachweis von wild lebenden Individuen im Jahr 1960 erbracht. Dass der Riesenbärenklau auch im Biosphärenreservat Flusslandschaft Elbe – Brandenburg zu einem Problem werden kann, verdeutlicht die vor vielen Jahren durchgeführte Bekämpfungsmaßnahme in Bad Wilsnack.

Der Riesenbärenklau gehört zu den Doldenblütlern und ist eine mehrjährige, krautige Pflanze mit einer stattlichen Größe von 2-4 (5)m. Markant sind neben der Größe der oben zottige, behaarte und unten grob gefurchte Stengel, die bis zu 10 cm mit purpurnen Flecken belegte Stengelbasis sowie die stark geteilten und unterseitig behaarten Blätter mit einer Länge von 1 bis seltener 3 m Länge. Weitere Erkennungsmerkmale sind der große Blütenstand in Form einer Hauptdolde mit bis zu 80 cm Durchmesser und mehreren Nebendolden. Die Blütezeit mit weißen bis rosafarbenen Blüten reicht von Juni bis September. Eine Verwechslungsmöglichkeit besteht mit dem deutlich kleineren Wiesenbärenklau (Heraclleum sphondylium L.). Dessen Stängel sind kantig gefurcht ohne farbige Flecken, die Blätter sind weniger tief geteilt und ohne spitze Zacken.

Aufgrund ihres invasiven Charakters wird die Art seit 2017 auch in der rechtsverbindlichen Unionsliste der EU-Kommission (Verordnung der EU Nr. 1143/2014) über invasive gebietsfremde Arten geführt. In der Listung sind ausschließlich Arten enthalten, die nachweislich nachteilige Auswirkungen auf die Biodiversität, die wirtschaftlichen Verhältnisse oder die menschliche Gesundheit haben und für die verschiedene Managementmaßnahmen durch die Mitgliedstaaten umzusetzen sind.

Der Riesenbärenklau kann sich gegenüber anderen Pflanzenbeständen gut durchsetzen, da er wegen seines besonderen Inhaltstoffs kaum natürliche Feinde und auch eine pilzhemmende Wirkung hat. Weitere ökologische Vorteile sind das frühzeitige, dynamische Wachstum, seine schiere Größe und die gewaltige Samenproduktion von bis zu 80.000 Samen pro Pflanze. Dies kann dazu führen, dass sich insbesondere nach Störungen oder Nutzungsänderungen flächige Dominanzbestände etablieren. In Folge der Ausbreitung verschwinden dann vor allem Arten der Krautschicht und andere, an die ursprüngliche Habitatstruktur angepasste Artengruppen, wie Spinnen oder Schmetterlinge.

Eine Gefahr für die menschliche Gesundheit geht von den gesamten Pflanzenteilen und dem darin enthaltenen Pflanzensaft aus. Dabei handelt es sich um die sogenannte Furanocumarine, die im Kontakt mit der Haut unter Einfluss intensiver Sonneneinstrahlung (phototoxische Wirkung) nach etwa 24 - 48 Stunden zu Hautschäden, wie Rötungen, Schwellungen bis hin zu schwersten Entzündungen mit starker Blasenbildung führen können. Zusätzlich können als Folgewirkung hartnäckige Hautentzündungen auftreten. Als Erste Hilfe Maßnahmen sollten die betroffenen Hautstellen mit viel Wasser und Seife abgewaschen und für mindestens 48 Stunden nicht mehr dem Sonnenlicht ausgesetzt werden. Bei schweren Symptomen ist in jedem Fall ein Arzt aufzusuchen. Weniger bekannt ist, dass an heißen Tagen der Wirkstoff aus den Pflanzen auch ohne mechanische Einwirkungen in die Umwelt gelangen kann. Wer sich dann in unmittelbarer Nähe aufhält, muss auch ohne direkten Kontakt mit Atemnot und Bronchitis-Symptomen rechnen.

Wirtschaftliche Auswirkungen sind bei Dominanzbeständen des Riesenbärenklaus zu erwarten. Stark besiedelte Böschungen von Fließgewässern sind anfälliger für Erosion. Auf landwirtschaftlich genutzten Flächen entstehen Ertragseinbußen durch Flächenverluste. Größter Kostenfaktor sind nach dem Bundesamt für Naturschutz jedoch die Kosten für die Behandlung von Vergiftungen und für Bekämpfungsmaßnahmen. Grundsätzlich muss darauf geachtet werden bei allen Maßnahmen zur Bekämpfung ausreichende Sicherheitsvorkehrungen zu treffen. Alle Körperteile sind mit möglichst wasserabweisender Bekleidung zu bedecken. Die Hände sind mit Handschuhen und die Augen mit einer Schutzbrille zu schützen. Bei der Verwendung von maschinellen Geräten kann zum Schutz vor Pflanzenpartikeln auch die Verwendung eines Mundschutzes sinnvoll sein. Für das Management von Riesenbärenklau-Beständen stehen eine Vielzahl an manuellen und mechanischen Methoden zur Verfügung, wie das Ausgraben der Wurzelrübe, Mahd und Entfernung der Blütenstände, chemische Behandlung oder beispielsweise das Umpflügen betroffener Ackerflächen. Auch eine intensive Beweidung mit Schafen und Rindern im Frühjahr kann als effiziente Methode angesehen werden.

Mehr Informationen beim Bundesamt für Naturschutz

Die Nilgans - Von Afrika an die Elbe

Zwei Nilgänse auf einem Acker
Nilgänse auf einem Acker im Süden des Biosphärenreservates. Foto: Daniela Drechsler

Die Nilgans (Alopochen aegyptiaca) ist sehr anpassungsfähig und nicht besonders wählerisch. Sie ernährt sich hauptsächlich von Sämereien, Gräsern und Wasserpflanzen, daneben aber auch von Würmern, kleinen Krebstieren und Schnecken. Sie ist ein weit verbreiteter Brutvogel in den meisten Teilen der Subsahara Afrikas und dem Nildelta, ausgenommen Waldflächen und Wüsten. Sich selbsterhaltende Brutkolonien befinden sich in Nordwesteuropa und Großbritannien. Gelegentlich brütet die Nilgans sogar in Florida, Neuseeland und Australien. In Großbritannien wurde diese Art im 17. Jahrhundert hauptsächlich als Ziergeflügel für Herrenhäuser eingeführt und brütete bis zum folgenden Jahrhundert dort weit verbreitet.

Von dort aus gelangte die Nilgans dann auch nach Deutschland. Erste Nachweise stammen vom Niederrhein aus dem Jahr 1986, seit dem hat sie sich rasant vermehrt. Unter allen nicht-heimischen Vogelarten Deutschlands weist die Nilgans die rapideste Bestandszunahme und Arealerweiterung auf. Konnten im Jahr 2000 noch ca. 300 Brutpaare nachgewiesen werden, sprechen aktuelle Schätzungen von 10.000 Brutpaaren. Auch im Biosphärenreservat Flusslandschaft Elbe können vermehrt diese Vögel nachgewiesen werden – das erste Mal im Jahr 2002 mit einem Brutpaar unweit von Lütjenheide. Seitdem entwickelt sich die lokale Population immer stärker und erfuhr 2018 mit 110 Tieren (für den nördlichen Teil des Biosphärenreservates), darunter zahlreichen Jungtieren, einen neuen Spitzenwert. Die Vögel können am besten im Gebiet der Lenzener Deichrückverlegung, um Gandow, Seedorf, Baekern, Alt Eidenburg, Hafen Wittenberge, Hinzdorf, Klein Lüben, Wehrgruppe Quitzöbel … beobachtet werden.

Etwas kleiner als Graugänse, heben sich Nilgänse durch ihre graue Grundfärbung und das rost- bzw. rotbraune Gefieder mit einem braunen Augenfleck deutlich von anderen Gänsearten ab. Männchen und Weibchen sind gleichermaßen gefärbt und zeichnen sich durch aggressives Verhalten gegenüber Konkurrenten aus. Die Wahl der Neststandorte reicht von Bäumen und Bauwerken über Höhlen bis zum Boden und ist ein klarer Vorteil gegenüber anderen Gänsearten. Teilweise besetzt die Nilgans auch Nester anderer Gänse oder sogar Horste von Störchen. Zudem weist die Nilgans eine ähnlich hohe Legegröße von 6-9 (max. 12) Eiern auf wie die heimische Graugans mit 4-9 (max. 12) Eiern. Vermutlich ist die Nilgans ein Gewinner der Klimaerwärmung und profitiert von den zunehmend warmen Wintern Mitteleuropas, welche es ihr ermöglichen Europa als Brut – und als Winterquartier zu erschließen.

Aufgrund ihres invasiven Charakters und der damit einhergehenden Bedrohung für native Wasservogelarten, wird die Nilgans im Bundesamt für Naturschutz in Bonn auf seiner Grauen Liste der sogenannten potenziell invasiven Arten geführt. Möglicherweise muss die Nilgans zukünftig systematisch bejagt werden, um die lokale Fauna zu schützen. Bislang fehlt jedoch die Festlegung einer Jagdzeit per Verordnung durch das Land Brandenburg, weshalb die Nilgans zum aktuellen Zeitpunkt nicht als Jagdwild gilt.

Die Nutria - Neuer alter Bewohner der Elbtalaue

Ein Nutria auf einer Wiese.
Die Nutria hat sich etabliert. Die Ähnlichkeit mit dem Biber ist nicht zu übersehen.

Die Nutria (Myocastor coypus) ist ein semi-aquatisch lebendes Nagetier, das in den letzten Jahren immer häufiger im Biosphärenreservat Flusslandschaft Elbe zu beobachten ist. Die ursprünglich aus Südamerika stammende Art wurde bereits Anfang des 20. Jh. am Oberrhein festgestellt. Die heute in Deutschland vorkommenden Tiere sind hauptsächlich Gefangenschaftsflüchtlinge, die aus Pelzfarmen entwichen oder gezielt ausgesetzt wurden.

Die Kopf-Rumpf Länge beträgt ca. 45 cm bis 65 cm. Der drehrunde Schwanz ist zwischen 30 cm und 45 cm lang. Die Fellfarbe variiert zwischen gelbgrau bis schwarz. Die Vorderläufe sind mit starken Krallen bewehrt, die zum Graben dienen. Die Hinterfüße habe zwischen vier Zehen Schwimmhäute. Gut zu erkennen sind die großen orangeroten Nagezähne. Die Färbung entsteht durch Eiseneinlagerungen, die vor Abnutzung schützen.

Verwechst werden kann die Nutria mit dem heimischen Elbebiber (Castor fiber albicus), der deutlich größer ist und einen abgeplatteten Schwanz (Kelle) besitzt.

Die Nutria gehört zu den Neozoen (Tierarten die nach 1492 durch den Menschen verschleppt wurden) und gilt als invasive Art. Nutrias ernähren sich hauptsächlich von Pflanzen. Fraßschäden an Ufer- und Unterwasserpflanzen können erhebliche Auswirkungen haben. In der Literatur wird beschrieben, dass u.a. die Ausbreitung von Röhrichten durch Nutrias verhindert werden können. Damit haben die Nutrias nicht nur einen Einfluss auf die Vegetation an Gewässern, sondern auch auf Arten die auf diese Lebensräume angewiesen sind. Ein weiteres ökologisches Problem scheint der Fraß von Muscheln zu sein. Zwar ernähren sich Nutrias nur gelegentlich von tierischer Kost, aber lokal kann das durchaus den Großmuschelbestand gefährden.

Durch ihre Grabtätigkeit und dem Anlegen von Bauen an Ufern von Gewässern können Nutrias erheblichen Schaden an Deichen verursachen und Wege unterhöhlen.

Die Naturwacht erfasst in der Saison 2018/19 im Zusammenhang mit dem Bibermonitoring auch Hinweise auf Nutrias. Baue, Spuren, Losungen und Sichtungen werden dokumentiert. Ziel ist es, einzuschätzen wie weit die Etablierung der Nutrias im Biosphärenreservat fortgeschritten ist und ob sich die Art weiter ausbreitet.

 

Literatur:

Arnold, J.M., Greiser, G., Krüger, S., Martin, I. (2016): Status und Entwicklung ausgewählter Wildtierarten in Deutschland. Jahresbericht 2015. Wildtier-Informationssystem der Länder Deutschlands (WILD). Deutscher Jagdverband (Hrsg.), Berlin.

Biela, C. (2008): Die Nutria (Myocastor coypus MOLINA 1782) in Deutschland – Ökologische Ursachen und Folgen der Ausbreitung einer invasiven Art, Diplomarbeit TU München

Nehring, S. (2016): Die invasiven gebietsfremden Arten der ersten Unionsliste der EU-Verordnung Nr. 1143/2014, BfN Skripten 438. BfN (Hrsg.)

Nutria – Management- und Maßnahmenblatt zu VO (EU) Nr. 1143/2014 (https://mlul.brandenburg.de/cms/media.php/lbm1.a.3310.de/Nutria-Management-Ma%C3%9Fnahmenblatt_03_2018_UAK.pdf)

ZAHNER, V. (2004): Verdrängen Bisam und Nutria den heimischen Biber? LWF aktuell, 45, 38–39.

Autor: Clemens Herche, Naturwacht Rühstädt