Naturschutz im Garten
Zeitgemäß und sinnvoll: So gelingt der Naturgarten
Gärten gelten dabei als Hotspots der Biodiversität – der BDG spricht sogar von über 2000 einheimischen und exotischen Pflanzenarten. Je mehr verschiedene Pflanzen ein strukturreicher Garten beherbergt, umso größer ist auch seine Anziehungskraft für Insekten, Vögel, Säugetiere und Reptilen. Dennoch sind in Deutschland 26 % aller heimischen Pflanzenarten bestandsgefährdet, bei den Tieren sind es sogar 35 %. Wichtige artenreiche Tiergruppen wie beispielsweise Insekten sind bedeutende ökosystemare Dienstleister. Ungefähr 75 % aller Nutzpflanzen profitieren von der Bestäubungsleistung u. a. von Schmetterlingen, Wildbienen und Schwebfliegen. Kugelspringer und Mistkäfer verbessern die Bodenfruchtbarkeit während Schlupfwespen, Florfliegen und Ohrwürmer effektive Schädlingsbekämpfer sind oder selber als Nahrungsquelle für andere Tiere dienen. Die UN-Dekade Biologische Vielfalt 2011–2020 in Deutschland hat es sich deshalb zum Ziel gesetzt, möglichst viele Menschen für den Schutz und den Erhalt der Biodiversität zu sensibilisieren. Um dem Artensterben effektiv entgegenzutreten, bedarf es konkreter Maßnahmen auf internationaler, nationaler, regionaler und lokaler Ebene - auch vor der eigenen Haustür, im eigenen Garten.
Der heimische Garten, sei er zur Selbstversorgung oder als Zier- und Erholungsgarten angelegt, ist ein wichtiger Baustein zum Erhalt der Biologischen Vielfalt. Immerhin ist die Fläche aller Gärten etwa halb so groß wie die aller Naturschutzgebiete zusammengenommen. Biosphärenreservaten wie der Flusslandschaft Elbe kommt dabei eine besondere Rolle als Modellregion für nachhaltige Entwicklung zu. In dieser Kulturlandschaft waren Gärten aufgrund der politischen Vergangenheit für die Selbstversorgung sehr wichtig. Gemüsebeete, Obstbäume und ein eigener Kompost waren allgegenwärtig. Diese strukturreichen Gärten boten Insekten, Vögeln, Reptilien und Co. Unterschlupf und Nahrung. Seit der Wende hat sich das Bild aber gewandelt. Kurzrasen, Kirschlorbeerhecken und exotische Zierpflanzen haben die ehemaligen grünen Oasen des Lebens immer mehr verdrängt. Jedoch gibt es zahlreiche Möglichkeiten, den eigenen Garten in einen wertvollen Lebensraum auch für die Tierwelt zu gestalten. Ein naturnaher Garten zeichnet sich durch eine abwechslungsreiche Gestaltung aus. „Wilde Ecken“ mit heimischen Wildpflanzen, Gehölzhaufen und eine pestizidfreie Bewirtschaftung unterstützen den Artenreichtum, während der Verzicht auf synthetische Düngemittel die Vitalität des Bodenlebens und damit auch der Pflanzen erhöht. In einem naturnahen Garten blüht der Blaue Natternkopf neben Radieschen, bauen Amseln ihr Nest in der Weißdornhecke und die Zauneidechse versteckt sich im Gehölzhaufen. Ab September ist der geeignete Zeitpunkt, um Gehölze zu pflanzen und den Boden für die Aussaat vorzubereiten. So legt man im Herbst bereits den Grundstein für einen blüten- und farbenprächtigen Garten im nächsten Frühjahr. Bei der Gartengestaltung kann aber auch einiges falsch gemacht werden – wenn auch gut gemeint. Nicht alle Pflanzen und Nisthilfen im Garten können Insekten, Vögel oder anderen Gartenbesucher verwerten oder nutzen.
Die richtigen Pflanzen
Ein prominentes Beispiel dafür sind Blühpflanzen mit gefüllten Blüten. Bei einer gefüllten Blüte sind die Staubblätter und seltener auch die Fruchtblätter zu Blütenblättern umgebildet. Für das menschliche Auge wirkt die Blüte voller und schöner, Insekten allerdings suchen dort vergeblich nach Nektar und Pollen. Oft sind es Rosen, Chrysanthemen und Geranien und andere Zierpflanzen. Zu erkennen sind diese Zuchtformen an der Abkürzung fl.pl., das steht für flore pleno oder „mit voller Blüte“.
Alternativ sollten ungefüllte Züchtungen genutzt werden oder besser heimische Wildpflanzen. Fleißige Sammler können Samen von Wildpflanzen im Laufe des Jahres selber ernten und im eigenen Garten ausbringen. Bei Sammelaktionen im näheren Umfeld ist gewährleistet, dass es sich um regionales Saatgut handelt. Solche Pflanzen kommen besser mit den hiesigen Bedingungen mit sandigen und lehmigen Böden oder sehr trockenen Prignitzer Sommern zurecht. Sie neigen dazu bspw. mehr Blüten zu bilden, wovon unsere Bestäuber profitieren. Zertifiziertes Regio- bzw. autochthones Saatgut für verschiedene Standorte, wie schattige oder feuchte Standorte, kann auch von namenshaften Herstellern erworben werden. Saaten Zeller, BSV-Saaten oder Hoffmann & Rieger bieten Saatgutmischungen für das Ursprungsgebiet „ostdeutsches Tiefland“, zu welchem die Prignitz zugehörig ist, an. Im Vorfeld sollten Informationen über die Standortverträglichkeit der Pflanzen eingeholt werden. Neben unterschiedlichen Licht – und Wasserverhältnisse, muss auch die Bodenart berücksichtigt werden. Bei Stauden sollte darauf geachtet werden, diese über den Winter stehen zulassen, also nicht abzuschneiden. Insekten finden hier geeignete Überwinterungsquartiere und Vögel in den Samenständen reichlich Nahrung in der kalten Jahreszeit.
Unterschlüpfe und Nahrungsquellen
Neben blühenden Kräutern liefern auch Gehölze, also Bäume und Sträucher, Nahrung sowie Versteck- und Nistmöglichkeiten. Doch viele gern gepflanzte Gartengehölze sind weitgehend nutzlos für unsere Prignitzer Tierwelt. Zum „toten Grün“ gehören unter anderem der immergrüne Lebensbaum, auch Thuja genannt, und auch Forsythien. Während die Thuja aufgrund seiner Windbestäubung keinen Nektar produziert, wurde die Forsythie steril gezüchtet. Jedes Insekt sucht hier vergeblich nach Nahrung. Selbst das Blattgrün dieser aus Asien und Amerika stammenden Exoten ist für die heimische Tierwelt nicht verwertbar. Andere Pflanzen enthalten Bitter- und Giftstoffe, weshalb die meisten Tiere einen weiten Bogen darum machen. Zu erwähnen sind hierbei der Gemeine Flieder, der trotz herrlich duftender Blüten nur bitteren und wenig schmackhaften Nektar bietet und der gänzlich giftige Kirschlorbeer. Bei letzterem kommt noch hinzu, dass dieser sehr wuchsfreudig ist und effektiv durch Selbstaussaat ökologisch wertvolle heimische Pflanzen verdrängt. Eine Liste invasiver exotischer Pflanzenarten führt das Bundesamt für Naturschutz (BfN) unter dem Titel "Neobiota", auch deren "Leitfaden zur Verwendung gebietseigener Gehölze" kann viele Anreize schaffen.
Heimische Gehölze sind nicht nur dekorativ, sondern Lebensraum und Nahrungsquelle für zahlreiche Lebewesen. Während Bestäuber hier Nektar und Pollen vorfinden, laben sich Vögel und auch Menschen an den Früchten. Verschiedene Beerengehölze wie Him-, Brom- und Schwarze Johannisbeere, Hundsrose oder regionale Obstbaumsorten wie Napoleon, Boskoop, Herzvaterapfel und Gravensteiner liefern Früchte, die auch dem Menschen schmecken. Ebenso sind Sal-Weide, Schneebeere und Pfaffenhütchen zu empfehlen. Besonders Weiden als Charakterbäume der Elbauen haben neben einem hohen kulturellen auch einen großen ökologischen Wert. Im März stellen diese nicht nur als frühzeitiges und reichblühendes Gehölz bedeutende Trachtpflanzen für nektarsuchende Insekten dar. Von den Weiden-Blättern ernähren sich außerdem Raupen von über 100 Schmetterlings- und viele Käferarten. Als Fassadenbegrünung eignet sich der Gemeine Efeu (Hedera helix) - die einzige in Mitteleuropa heimische immergrüne Kletterpflanze. Aufgrund ihrer späten Blüte ab September ist dieser für nektarsuchende Insekten eine der letzten Möglichkeiten der Nahrungsaufnahme. Die Efeu-Seidenbiene hat sich sogar auf den Pollen dieser Pflanze spezialisiert und nutzt diesen zur Ernährung der Brut. Die Früchte des Efeus reifen im Frühjahr zwischen Februar und April und werden von Amseln und anderen Drosselarten gerne gefressen. Wer eine blickdichte Hecke benötigt, kann statt Thuja und Kirschlorbeer auch schnittverträglich Arten wie Weißdorn, Gewöhnlicher Schneeball, Kornelkirsche, Europäische Eibe oder Hain- und Rotbuche verwenden. Obwohl die beiden Buchenarten zu den Laubbäumen zählen, behalten diese bei uns über die Wintermonate hinweg ihr Laubkleid und wechseln es erst kurz vor dem neuen Austreiben.
Insektenhotels
Künstliche Insektennisthilfen, auch Insektenhotels genannt, werden immer beliebter. Baumärkte, Discounter und Gartencentren bieten sie schon zu einem kleinen Preis an. Jedoch ignorieren diese oft weitgehend die Ansprüche der Insekten an einen artgerechten Brutplatz. Stroh, Holzwolle, Kiefernzapfen, Moos, Schneckenhäuser und andere Füllmaterialien dienen lediglich als temporärer Unterschlupf für Marienkäfer und Ohrwürmer. Letztere vergreifen sich sogar an der Bienenbrut. Deshalb sollten Ohrwürmer lieber separat in einem Stroh-Versteck neben dem Rosenbeet angelockt werden, damit sie dort auf Blattlausjagd gehen können. Einige Mauerbienen nutzen Schneckenhäuser als Brutplatz, haben aber ganz genaue Ansprüche an diese. Nachdem Schneckenhaus-Mauerbienen ihre Eier in das Schneckenhaus gelegt haben, wird die Öffnung verschlossen und zum Boden hin positioniert und teilweise sogar eingegraben. Anschließend wird das Schneckenhaus in mühseliger Kleinarbeit mit Gräsern und anderem Pflanzenmaterial bedeckt. Aufgestapelt in einem Holzkasten bleiben diese Schneckenhäuser demnach unbesiedelt, weil die Biene ihrem Instinkt nicht nachkommen und die Schneckenhäuser nicht drehen und modifizieren kann. Auch die angebotenen Schmetterlingsquartiere, erkennbar an einem senkrechten Schlitz im Holz, sind reine Zierde. In Deutschland gibt es ca. 190 Tagfalter, von denen weniger als 10 in adulter Form überwintern. Der Rest überdauert die kalte Jahreszeit als Ei, Raupe oder Puppe häufig an den Nahrungspflanzen der Raupen. Eine artenreiche Wiese, die im Herbst nicht gemäht wird, ist demnach eine bessere Überwinterungshilfe für Tagfalter. Insektenhotels sind am sinnvollsten als Nisthilfen für verschiedene Solitärbienen, welche mit ein wenig handwerklichem Geschick nicht nur dekorativ, sondern auch funktional sind.
Nisthilfen für Wildbienen weisen Röhren in unterschiedlichen Durchmessern auf, in denen kammerweise eine Brutanlage erfolgt. Für Holzbohrungen muss abgelagertes Hartholz verwendet werden, dieses enthält weniger Feuchtigkeit und verringert die Gefahr zu Verpilzen. Nadelholz hingegen neigt zum Harzen, was ebenfalls der Brut schadet. Bohrungen erfolgen nicht in die Baumscheibe, also dort wo die Jahresringe erkennbar sind, sondern immer quer zur Richtung der Holzfasern. Bohrlöcher in die Holzscheibe neigen zu Rissen, die von den Bienen nicht ausgebessert und gemieden werden. Die Bohrungen müssen glatt sein, damit die Bienen ihre zarten Flügel nicht an Holzsplittern verletzten, gegebenenfalls kann hier mit Schmirgelpapier nachgebessert werden. Statt Holzbohrungen finden auch hohle Bambusröhren, Pappröllchen oder Schilf Verwendung. Wie auch die Bohrungen sollten diese leicht nach unten geneigt positioniert sein, damit eintretendes Wasser abfließt. Zudem müssen die Röhren hinten immer geschlossen sein, dazu eignet sich bspw. Lehm, Gips, Holzwolle oder ein eng anliegendes Brett. Um möglichst vielen Wildbienenarten eine geeignete Brutstätte zu bieten, weisen die Röhren unterschiedlichen Durchmessern zwischen 3 und 12 mm auf. Zahlenmäßig sollten 8 mm Röhren überwiegen, da diese von vielen Arten akzeptiert werden. Schilf und andere Röhren können auch in Lochziegeln, deren Löcher ansonsten viel zu groß zum Anlegen einer Brut sind, eingesetzt werden. Generell gilt, je länger die Röhre, umso mehr Brutzellen können hintereinander gebaut werden. Eine Länge von mindestens 7 cm, am besten ca. 10 cm, hat sich für viele Arten als geeignet erwiesen.
Neben diesen hohlen einseitig verschlossenen Röhren mit waagerechter Positionierung, finden auch markhaltige Stengel von Brombeere, Königskerze oder Holunder Verwendung. Markhaltige Stengel werden vertikal und einzeln positioniert. Gebündelt werden die Stengel weniger besiedelt, da die Imitierung der natürlichen Abbruchkante dieser Pflanzen fehlt und sich in markhaltigen Stengeln nistende Wildbienen an vertikalen Strukturen orientieren. Für in Lehmwänden brütende Insekten eignet sich Lösslehm, da dieser nicht zu hart ist und die Bienen selbständig Brutgänge graben können. Alternativ kann auch Baulehm genutzt werden, der in einem Verhältnis 1:1 mit Sand vermischt wird. Wichtig ist, dass sich die getrocknete Mischung leicht mit dem Fingernagel abkratzen lässt. Stroh, Steine und Schilf im Lehm sind unnötige Hindernisse, welche die Bienen beim Graben behindern, stattdessen sind ca. 2 cm tiefe Vorbohrungen hilfreich.
Retten Naturgärten Arten vor dem Aussterben?
Für den Erhalt seltener Arten mit speziellen Lebensraumansprüchen können selbst naturnahe Gärten Naturschutzgebiete nicht ersetzten. Dennoch ist jeder Beitrag, der das Mosaik aus blüten-und strukturreichen Grünflächen vergrößert und verdichtet ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung. Frei nach dem Motto: Der beste Zeitpunkt, einen Baum zu pflanzen, war vor 20 Jahren. Der nächstbeste ist jetzt.
Der insektenfreundliche Garten
Paläontologen charakterisieren ein Massenaussterben, wenn die Erde mehr als dreiviertel der Arten in einem geologisch kurzen Zeitintervall verliert. Dies geschah in den letzten 540 Millionen Jahren erst fünf Mal. Experten gehen zur Zeit von dem sechsten Massensterben aus, wodurch ein Großteil unserer bekannten Arten der letzten Jahrhunderte und Millionen für immer verloren gehen. Insekten bilden mit ca. 60 % aller Arten unsere artenreichste Gruppe und sind in besonders hohem Maße betroffen. Meist durch menschliche Handlungen verursacht, werden ihnen der Lebensraum und ihre Nahrungsgrundlage entzogen. Der Rückgang insbesondere blütenbesuchender Insekten ist auf die Intensivierung der Landwirtschaft und dem damit verbundenen Lebensraumverlust zurückzuführen. Der wachsende Gebrauch von Agrochemikalien in der Landwirtschaft führt zur Degradierung des Lebensraumes der Insekten. Insektizide verursachen direkt den Tod der Insekten, wobei Herbizide und Überdüngung die Insekten indirekt durch Reduzierung der Blütenverfügbarkeit beeinflussen. Während auf Agrarflächen kaum noch Insekten anzutreffen sind, erweisen sich Gärten als ein letztes Refugium. Vor der eigenen Haustür kann jeder seinen Beitrag zum Umwelt – und Artenschutz leisten. Die Fläche von Deutschlands Privatgärten ist immerhin mehr als doppelt so groß wie der aller deutschen Naturschutzgebiete zusammen.
Dabei sind und bleiben Insekten unverzichtbare Helfer in jedem Garten. Sie bestäuben nicht nur sondern sorgen auch durch das Vertilgen von Schädlingen für gesunde Pflanzen und eine reiche Ernte. Doch wie können wir das ökologische Potenzial unserer Gärten aus dem Versteck locken?
Pestizideinsatz
Die Verwendung von Pestiziden auf Rasenflächen und Beeten zur Beseitigung von pflanzlichen oder tierischen Schädlingen führt zum Tod zahlreicher Insekten. Dabei enthalten Pestizide eine Vielzahl an Wirkstoffen wie Glyphosat (Totalherbizid) oder Neonikotinoide (Insektizid), welche neben der Umwelt auch dem Menschen schaden können.
Um die Verbreitung ungewollter Wildkräuter zu reduzieren, können einfache Tricks helfen. Das Einsäen ausgewählter Wildblumenmischungen und Pflanzen schließt die Vegetationsdecke und nimmt den ungewollten Kräutern den Raum zum Wachsen. Wählen sie heimische und standortgerechte Pflanzen, welche an die hiesigen Bedingungen angepasst sind und auch mit Schädlingen besser zurecht kommen. Zur Reduzierung des Schädlingsbefalles im Beet haben sich wiederum Mischkulturen bewährt. Zur Vorbeugung eines Blattlausbefalles pflanzt man Bohnenkraut neben Bohnen, Kerbel neben Kohlsorten oder lässt Brennnesseln bei Obstkulturen wachsen, generell bewährt haben sich Petersilie, Zwiebeln und Minze. Gegen Schnecken hilft Mutterkraut, Rainfarn oder Kerbel als Randbepflanzung. Der Kartoffelkäfer meidet seine Fraßpflanzen bei der Pflanzung von Meerrettich, Spinat, Erbsen oder Kümmel und die Möhrenfliege vermeidet den Kontakt mit Majoran, Gelben Rüben, Zwiebeln und Lauch.
Tipp: Detaillierte Informationen und weitere Tipps zum ökologischen Gärtnern erhalten Sie u. A. im Buch „Mischkultur im Hobbygarten“ von Christa Weinrich (ISBN 10: 3800158310).
Beleuchtung
Vor allem nachtaktive Insekten werden von künstlichem Licht angezogen. Im Lichtkegel gefangen, sind diese nicht mehr in der Lage sich auf Nahrungs- oder Partnersuche zu begeben. Sie sterben indirekt durch den hohen Energieverlust oder direkt durch Hitzeeinwirkungen und durch Fraßfeinde, die gezielt die Lichtquellen auf der Suche nach Beute aufsuchen. Diese für Insekten typische Verhaltensweise, beginnend mit der unaufhaltsamen Anziehung zur Lichtquelle und endend mit dem Tod des Insektes, wird als „Vakuum-Effekt“ bezeichnet. Tausende Insekten verlassen ihren ursprünglichen Lebensraum und finden den Tod ausgehend von einer einzigen Lichtquelle und lassen einen „insektenleeren Raum“, gleich einem Vakuum, zurück.
Konventionell genutzte Beleuchtungselemente wie Quecksilber- und Natriumdampfhochdruck, Leuchtstoffröhren und modernen Leuchten wie Metallhalogen und Leuchtdioden (LED) weisen jedoch Unterschiede in der Zahl der angezogenen Insekten auf. Generell gilt: kurzwelliges Licht mit hohem UV-Anteil ist attraktiver für Insekten. Bei der Ausstattung des Gartens mit Beleuchtungselementen sind daher Lampen, die warm-weißliches Licht aussenden (geringerer Temperaturwert definiert eine warm-weißere Lichtfarbe (1000 – 3000 K)), zu bevorzugen. Eine Minderung der Lichtstreuung wird durch den Einsatz von Kofferleuchten erreicht. Entsprechend ist die Verwendung von warm-weißen LED-Kofferleuchten empfehlenswert. Zusätzlich sollte auf eine Limitierung der Lichtnutzung zum Zeitpunkt der Gartennutzung geachtet werden. Zu diesem Zweck eignen sich Zeitschaltuhren, Bewegungsmelder oder Solarzellen.
Blütenvielfalt
Blumenwiesen, Kräuterbeete, Hochstaudenfluren, Heckensäume und Wildsträucher bieten eine geeignete Nahrungs- und Lebensgrundlage für Insekten. Viele Bienenarten sammeln limitiert durch ihre Rüssellänge Pollen und Nektar oft von nur einer einzigen Pflanzenfamilie oder Pflanzengattung, deren Physiologie der des Bienenrüssels entspricht. Die wichtigsten Pflanzenfamilien für spezialisierte Wildbienen sind Korbblütler (Asteraceae), Schmetterlingsblütler (Fabaceae), Kreuzblütler (Brassicaceae) und Lippenblütler (Lamiaceae), begehrte Pflanzengattungen sind unter anderem Glockenblumen (Campanula), Weiden (Salix) und Natterkopf (Echium). Um das Nahrungsangebot für nektarsuchende Insekten zu gewährleisten, sollten artenreiche Wildblumenwiesen maximal zweimal im Jahr, das erste Mal ab Juni nach der Blüte, gemäht werden. Der geeignete Zeitpunkt der Mahd kann an einjährigen Pflanzen wie dem Mohn oder der Kornrade abgelesen werden. Sobald die Samenstände eingetrocknet und damit ausgereift sind, können sich diese Pflanzen wieder selbst aussähen. Die Mahdhöhe sollte zwischen 10 und 12 cm liegen, zudem empfiehlt es sich von innen nach außen oder von einer zur anderen Seite zu mähen, um den Tieren eine Fluchtmöglichkeit zu geben. Zur Etablierung einer artenreichen Flora sollten dem System Nährstoffe durch das Entfernen des Schnittgutes entzogen werden. Um den Tieren einen kurzzeitigen Rückzugsort zu ermöglichen, erfolgt diese Entfernung aber erst nach ein paar Tagen. Statt des Rasenmähers, eignet sich der Einsatz einer Sense zur Mahd. Dadurch unterliegen die Insekten weniger drastischen Lebensraumveränderungen wie dem Verlust von Nahrung und Unterschlupfmöglichkeiten und Änderungen im Mikroklima.
Regionale und standortangepasste Pflanzen
Der Einsatz einheimischer Pflanzen ist ausschlaggebend für den Erfolg eines insektenfreundlichen Gartens. Einheimische Pflanzen- und Tierarten haben sich in Millionen von Jahren der Koevolution aneinander angepasst. Von einer einzigen Wildpflanze leben die unterschiedlichsten Organismen indem sie Nektar saugen, Blätter, Blüten, Wurzeln, Samen oder Pollen fressen. Die Pflanzen werden zur Eiablage oder als sicherer Unterschlupf genutzt. Jede Pflanze bietet eine Vielzahl an ökologischen Nischen an, welche durch unterschiedliche Tiere besetzt werden. Exotische Pflanzen hingegen werden kaum von einheimischen Tieren genutzt. Der in deutschen Gärten begehrte Schmetterlingsstrauch (Buddleja davidii) dient den adulten Schmetterlingen zwar als Nektarquelle, ist als Futterpflanzen für die Raupen des Schmetterlings jedoch wertlos. Im Gegensatz zu den meist spezialisierten Wildbienen, greifen Schmetterlinge auf die verschiedensten Nektarquellen zu. Die Raupen hingegen sind spezialisiert auf einheimische Futterpflanzen. Die Raupen des Schwalbenschwanzes fressen sich an der Wilden Möhre (Daucus carota subsp. carota), die des Schwarzblauen Bläuling an dem Großen Wiesenknopf (Sanguisorba officinalis) satt. Wer Brom- oder Himbeersträucher (Rubus) im Garten gedeihen lässt, bietet Raupen von Kaisermantel, Brombeerzipfelfalter und Perlmutterfalter einen reich gedeckten Tisch. Bei Fehlen dieser Futterpflanzen werden auch die Schmetterlinge vergeblich gesucht. Anstelle einer Hecke aus gebietsfremden Thujen (Thuja) oder dem Weiße Hartriegel (Cornus alba), können Hecken aus Holunder (Sambucus), Schlehe (Prunus spinosa), Brombeer (Rubus sectio Rubus) oder Wildrosen (Rosa) angelegt werden. Die einheimischen Sträucher haben den Vorteil an die hiesigen klimatischen Bedingungen besser angepasst zu sein und sind daher pflegeleichter und robuster als Exoten. Auch wenn eine gewisse Anpassungsfähigkeit einheimischer Pflanzen gegenüber des Standortes existiert, kann Wüchsigkeit und die Ausprägung an Blüten und Früchten bei nicht standortgerechter Pflanzung variieren. Dabei kann auf Düngung oder den Einsatz torfhaltiger Blumenerde verzichtet werden. Bodenverbesserungen können mit Kompost erreicht werden, Torf gehört ausschließlich ins Moor und dessen Abbau zerstört millionenalte Ökosysteme und treibt den Klimawandel voran.
Wildpflanzen in der Prignitz und im gesamten Land Brandenburg kommen bestens mit sandigen, nährstoffarmen Böden und geringem Niederschlag zurecht. Dank einer breiten Auswahl an einheimischen Wildpflanzen, kann für jede Gartensituation ein geeignetes Sortiment an Pflanzen zusammengestellt werden. So kann gewährleistet werden, dass im gesamten Jahresverlauf Blüten zur Verfügung stehen. Beispielshaft sind in der Tabelle in der rechten Spalte Pflanzen vorgestellt, welche auf für die Prignitz typisch sandigen und trockenen Böden gedeihen.
Erwerb geeigneter Pflanzen
Die Bedeutung der Verwendung regionalen Saatgutes zum Erhalt der Biodiversität und dem Schutz vor Floren-Verfälschung wird durch die Festlegung eines Bundesnaturschutzgesetztes deutlich, welches ab 2020 in Kraft tritt. Dieses Gesetz sieht vor, Pflanzen und Saatgut nur noch innerhalb ihrer Vorkommensgebiete in freien Landschaften auszubringen. Ausgenommen von dieser Regelung sind besiedelte und innerörtliche, sowie land- und forstwirtschaftlich genutzte Flächen. Dennoch ist die Verwendung regionalen Saatguts auch in besiedelten Bereichen aufgrund ihrer Bedeutung für den Artenschutz erstrebenswert.
Entsprechend sollte beim Kauf auf die Herkunft des Saatgutes geachtet werden. Qualitativ hochwertiges Saatgut verfügt über ein Zertifikat, welches die Abstammung des Saatgutes von Pflanzen der gewünschten Herkunftsregion garantiert. Mit VWW-Regiosaaten® und RegioZert® existieren zur Zeit zwei Zertifizierungen, an denen man sich orientieren kann. Es wird zwischen einjährigen Mischungen unterschieden, welche bei ausbleibender Fruchtung jedes Jahr aufs Neue ausgebracht werden müssen und mehrjähriger Mischungen, welche den Garten über mehrere Jahre erblühen lassen. Fertige Blumenmischungen können entsprechend der Vorlieben des Gartenbesitzers nach einer Schmetterling- oder Bienenwiese, niedrig wachsende Kräuter oder hochwachsender Stauden ausgewählt werden. Eine Mischung beinhaltet in der Regel Samen von bis zu 50 verschieden Pflanzenarten mit leicht unterschiedlichen Standortsbedürfnissen, sodass ein Pflanzerfolg gewährleistet wird. Dies bedeutet aber auch, dass ein und dieselbe Blumenmischung in jedem Garten anders aussehen kann. Generell sind mehrjährige Blumenmischungen ökologisch wertvoller, wobei diese jedes Jahr ein anderes Erscheinungsbild aufweisen. Mehrjährige Pflanzen blühen erst im zweiten Jahr, wenn die einjährigen Pflanzen bereits abgestorben sind. Mögliche Blumenmischungen und die dazugehörigen Anbieter sind der nachfolgenden Tabelle gelistet.
Erworbene Mischungen können auch durch die Sammlung von Samen aus der Umgebung immens in ihrer Qualität gesteigert werden. Samen von Lupine, Mohn und Co. lassen sich leicht von reifen Samenständen absammeln und gezielt an eine gewünschte Stelle ausbringen. Wenn der Standort geeignet ist und die Pflanzen in der kommenden Saison fruchten, verbreiten sie sich ohne weiteres Zutun ganz allein.
Totholz
Lebensräume sind dann besonders artenreich, wenn sie schon sehr lange existieren oder weit verbreitet waren, sodass sich viele Arten an die unterschiedlichen Nischen anpassen konnten. Bäume der ursprünglichen Wälder befanden sich zu 20 – 50 % entweder in der Altersphase oder waren Totholz. Der früher fast flächendeckende Wald war ein „reichgedeckter Tisch“ und die Totholzbewohner mussten nur geringe Distanzen zum nächsten geeigneten Brutplatz zurücklegen, weshalb viele dieser Arten flugunfähig oder schlechte Flieger sind.
Diese Physiologie erschwert es den Totholzbewohnern neue Lebensräume zu erschließen, wenn sich die Bedingungen durch die Entnahme von Totholz verschlechtern. Umso wichtiger ist die Etablierung eines Totholzhaufens in heimischen Gärten. Ein Totholzhaufen, bestehend aus abgestorbenen Ästen bis zu vermodernden Stämmen, ist schnell angelegt und lässt sich leicht in Naturhecken integrieren. Immer wenn Schnittholz anfällt, kann dieses in die Hecke gegeben werden, um dort von Brombeeren oder Wildrosen überwachsen zu werden. Die Larven der meisten Bockkäfer, darunter Widderböcke und Moschusböcke, des seltenen Hirschkäfers oder der Holzwespe ernähren sich von Holz. Auch Blattschneiderbienen oder die seltene Blaue Holzbiene nutzen Totholz für ihre Brut, indem sie alte Käfergänge verwenden oder selber Gänge nagen.
Totholz ist auch der Lebensraum für die in der Fortwirtschaft wichtigen Günstlinge wie dem Ameisenbuntkäfer, einem bedeutenden Borkenkäfer-Räuber oder der Kamelhalsfliege, dessen Juvenile, Larven der Borkenkäfer und Eier der Nonnen vertilgen. Um die Vielfalt an Totholzbewohnern zu steigern, können unterschiedliche Gehölze in verschiedenen Ast- bzw. Stammdicken und Versetzungsgrade Verwendung finden. Generell gilt aber, dass dickere berindete Äste oder Stämme von Laubhölzern der Gattungen Eiche (Quercus) oder Buche (Fagus) besonders artenreich sind.
Um die Besiedlung des Totholzes durch Bienen zu erleichtern, können Löcher vorgebohrt werden. Zudem fressen viele Imagines der Totholzbewohner Pollen oder saugen Pflanzensäfte, weshalb eine artenreiche Blumenwiese in „Krabbeldistanz“ das Fortbestehen dieser Arten sichert.
Der „unordentliche“ und lebendige Garten
Der ökologische Wert eines Gartens steigt mit der Vielfalt an räumlichen Strukturen. Der Garten kann durch Senken, Hügel, Treppen, Gräben und Teiche aus Naturmaterialien gestaltet werden. Hecken- und Strauchsäume, Kräuterbeete und Hochstaudenfluren – diese und viel mehr Möglichkeiten gibt es einen struktur- und artenreichen Garten zu gestalten und die Artenvielfalt zu fördern. Eine ungemähte Wiese, ein heruntergefallener Ast oder den Boden bedeckendes Laub, begründen den Lebensraum zahlloser Insekten und anderer Kleinstlebewesen, welche Nahrung und Unterschlupf finden. Die Betrachtung von zum Beispiel Brennnesseln als Unkraut existiert lediglich in unseren Köpfen, dient diese Pflanze doch dem Nachwuchs von mehr als 20 Schmetterlingsarten (darunter Tagpfauenauge, Kleiner Fuchs, Landkärtchen, Admiral, Distelfalter etc.) als Nahrung.
Ein Großteil der Bevölkerung findet, dass Gärten aus ästhetischen und phytosanitären Gründen ordentlich, sauber und steril aussehen müssen. Dabei sind unordentliche und strukturreiche Gärten attraktive und mit Leben gefüllte Orte der Entspannung und Erholung. Kinderaugen beginnen zu leuchten, wenn sich Feuerwanzen in der Sonne aufwärmen oder Hummeln Pollenhosen tragend Blüten besuchen. Immer mehr werden die Funktion und die Bedeutung eines insektenfreundlichen Gartens auch der breiten Öffentlichkeit bewusst. Jedes Insekt erfüllt eine Aufgabe und ist ein Rädchen im Getriebe des Ökosystems. Mit wachsender Artenvielfalt sinkt die Gefahr einer massenhaften Vermehrung lästiger oder schädlicher Arten. Auch die für das menschliche Auge weniger „attraktiven“ Arten wie Ohrenkneifer, Florfliegen, Schlupfwespen oder Ameisen fungieren als natürliche Schädlingsbekämpfer gegen Blattläuse, Lebensmittelmotten und Schnecken. Zudem dienen sie als Nahrung für Vögel, Reptilien oder Amphibien, welche wiederum gefräßige Raupen und Nacktschnecken in Schach halten. Der Einsatz von Pestiziden wird dadurch unnötig.
Der durch vielfältige Lebensräume hervorgebrachter Artenreichtum kann Störungen wie das Verschwinden oder das massenhafte Auftreten schädlicher Arten sehr gut kompensieren und hält dadurch das Ökosystem im Gleichgewicht. Es gilt: Vielfalt ist besser als Einfalt!