Zwischen Tradition und Nachhaltigkeit: Anna Winters leidenschaftlicher Weg im Bio-Landbau
In der Region ist Anna Winter als "Käse-Anna aus dem Westen" bekannt. Ihr liebevoll gestalteter Hof mit Weide, Käserei und Hofladen befindet sich in Groß Pankow, einem kleinen Dorf in Brandenburgs Prignitz. Seit fast 30 Jahren betreibt sie hier eine Schäferei, in der sie aus der Milch ihrer Schafe Käse herstellt und verkauft.
Schon in ihrer Kindheit entstand in Anna der Wunsch, Bäuerin zu werden. Während eines Familienurlaubs in Österreich besuchte sie eine Alm, auf der sowohl Ziegen- als auch Kuhmilch zu Käse verarbeitet wurden. Auch das Verspinnen von Wolle entwickelte sich zu einem ihrer Hobbys. Es dauerte nicht lange, bis sie ihren Weg zu den Milchschafen fand. Getrieben von der Bewegung „zurück aufs Land zur Selbstversorgung“, zog ihre Familie in den 1980er Jahren in ein kleines Bauernhäuschen in Franken, das über anderthalb Hektar Grünland verfügte. Mit Unterstützung ihres Vaters erwarben Anna und ihre Eltern 1986 drei Milchschafe. Anna molk die Schafe und stellte aus ihrer Milch den ersten Käse her. Seitdem sind die Schafe ihre ständigen Begleiter.
Obwohl sie als Tochter eines Musikers das Geigenspiel erlernte und 1987 ihr Abitur an einem Musikgymnasium absolvierte, konnte sich Anna eine Karriere als Musikerin nicht vorstellen. Sie entschied sich stattdessen für eine landwirtschaftliche Lehre, was sich als Herausforderung erwies, da es schwierig war, einen Betrieb zu finden, der Frauen ausbildet. Schließlich fand sie jedoch einen landwirtschaftlichen Großbetrieb, der auch Frauen ausbildete. In den zwei Lehrjahren lernte sie das Fahren von Traktoren, die Bodenbearbeitung und weitere landwirtschaftliche Grundlagen.
Es folgten zwei Jahre an einer Landwirtschaftsschule, die sie als staatlich geprüfte Wirtschaftlerin für Landbau abschloss. In dieser Zeit lernte sie auch ihren damaligen Partner kennen. Der Wunsch nach einem eigenen Hof führte sie schließlich zu günstigen Grundstücken und Flächen in der Prignitz, die nach der Wende zum Verkauf standen. Schon beim ersten Besuch, schwanger und mit Kind, verliebte sich Anna in die nahezu unberührte, an Obstbäumen reiche Umgebung. Im Juni 1992 kaufte die kleine Familie ein Haus und pachtete Land, aus dem mit der Zeit ihr Hof entstand, der nun seit etwa 27 Jahren besteht.
Die Wende brachte unerwartete Möglichkeiten mit sich, die es Anna ermöglichten, ihren Traum von einem eigenen Hof und der Arbeit in der Landwirtschaft zu verwirklichen. „Es war wie Amerika für uns, ein Land der unbegrenzten Möglichkeiten“, beschreibt Anna diese Erinnerung. Der Hof und das Grundstück wurden zu einem unbeschriebenen Blatt, ohne Erwartungen, Druck oder Vorurteile und mit unverhoffter Freundlichkeit und Hilfsbereitschaft der Bewohner der Region. Umgeben von anderen Landwirten und Nachbarn fühlt sie sich wohl, verbunden durch das gemeinsame Verständnis für die Landwirtschaft, das sich aus dem Jahreszeitenrhythmus ergibt.
Anna legt großen Wert darauf, das Verständnis für landwirtschaftliche Prozesse zu fördern. Ihrer Meinung nach ist praktisches Ausprobieren der beste Weg, um dieses Verständnis zu erlangen. Sie unterstützt diese Idee, indem sie motivierten Freiwilligen gerne Einblicke in ihren Hofalltag gewährt.
Ein typischer Tagesablauf beginnt zu Saisonbeginn mit dem Melken, das etwa zwei Stunden dauert. Danach werden die Schafe auf die Koppel gebracht und die Milch verarbeitet. Etwa alle zwei Tage stellt Anna gemeinsam mit ihrer 10-Stundenkraft Ellie aus der frischen Schafsmilch Käse her. Weitere tägliche Aufgaben umfassen das Restmelken, das Reinigen der Melkmaschine, das Dreschen zur Getreide- und Heuernte, das Säen, sowie das Umbauen der Koppel, die Versorgung der Jungtiere und die Büroarbeit.
Auf die Frage, welche der Tätigkeiten ihr am meisten Freude bereitet, antwortete Anna: „Wenn ich im Frühjahr anfange zu melken, freue ich mich sehr darauf. Und wenn ich im Herbst aufhöre zu melken, freue ich mich auch. Manchmal ist es mit einem lachenden und einem weinenden Auge. Es ist gut so, und es ist auch gut, dass nicht jeden Tag das Gleiche ist.“
Seit fast 30 Jahren wird auf Anna Winters Hof nach Bio-Standards gewirtschaftet, was ihr und ihrem damaligen Partner von Anfang an ein persönliches Anliegen war: „Für uns stand von Anfang an fest: wenn Landwirtschaft, dann nur Bio.“ Nun möchte sie einen weiteren Schritt gehen und sich der regenerativen Landwirtschaft zuwenden, bei der der Fokus vor allem auf bodenschonendes Arbeiten und die Förderung der Biodiversität und Bodenregeneration durch Humusmehrung gelegt wird. Anna besuchte bereits Kurse zum Thema regenerative Landwirtschaft und ist positiv überrascht über das gewachsene Miteinander und die Akzeptanz zwischen Bio- und konventionellen Bauern.
Eine bedenkliche Entwicklung sieht sie in der Situation kleinbäuerlicher Betriebe, die durch strukturelle Herausforderungen in der Agrarpolitik benachteiligt werden. „Es ist fast unmöglich“, erklärt sie, „einen landwirtschaftlichen Betrieb zu gründen, wenn man kein Land erben kann.“ Trotzdem ermöglichten die Umstände der Wende Anna und ihrem damaligen Partner den Aufbau eines neuen Betriebs.
Heute führt Anna den Hof größtenteils alleine und wird dabei von engen Familienmitgliedern beraten. Sie ist überrascht und besorgt über die aktuellen Zustände, wenn es um Frauen als Leitung eines landwirtschaftlichen Betriebs geht und wünscht sich mehr Normalisierung und Selbstverständlichkeit in diesem Bereich. „Ein Mann hat einfach andere Voraussetzungen, um körperlich schwer zu arbeiten. Das heißt ja nicht, dass man sich nicht irgendwelche Hilfen durch Maschinen holen kann. Aber Maschinen bedienen können Frauen genauso gut wie Männer.“
Anna Winter liebt ihre Schafe, das Käsen und ihren Hof und wird von ihrer Kundschaft dafür wertgeschätzt. Es gibt kein Rezept dafür, wie man seine Ziele erreichen und seine Träume erfüllen kann. Meist sind es Zufälle, Begegnungen und Ereignisse, die entscheiden, wie unser Leben verläuft. Doch was sie gezeigt hat, ist, dass es sich lohnt, daran zu arbeiten, seine Träume in die Tat umzusetzen, sich auszuprobieren, mutig zu sein und auf sich selbst zu vertrauen.
Gebiet
- Biosphärenreservat Flusslandschaft Elbe
Meldung vom 04.04.2024