Eine Insel für die Elbe - BUND-Auenzentrum schafft mit der Flussinsel „Kälberwerder“ Lebensräume wie vor 150 Jahren

Wanzer. Das BUND-Auenzentrum Burg Lenzen verfolgt im Projekt „Lebendige Auen für die Elbe“ das Ziel naturnahe Auen an der Elbe zu erhalten und zu fördern. Umgesetzt wird dieses Vorhaben im Bundesprogramm Biologische Vielfalt vom Bundesamt für Naturschutz mit Mitteln des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit. Seit 2012 läuft das Projekt, bei dem das Augenmerk auf der Hohen Garbe liegt. Die letzte bauliche Maßnahme ist nun so gut wie abgeschlossen: Die Nebenrinne, die den sogenannten Kälberwerder von der Hohen Garbe trennte, wird an den verlandeten Stellen ausgebaggert. Nach dem Abschluss der Bauarbeiten wird die Elbe dadurch eine ihrer früher so zahlreichen Flussinseln zurückerhalten.

Schon der Name deutet auf die einstige Bedeutung hin: In unseren Breiten ist das Wort „Werder“ bereits seit dem Mittelalter als Synonym für „Flussinsel“ bekannt. Der Kälberwerder, östlich der Hohen Garbe gelegen, ist auf alten Karten aus dem 18. Und 19. Jahrhundert noch deutlich als eine von vielen Flussinseln der Elbe zu erkennen. Diese Elbinseln verschwanden im Laufe der letzten Jahrhunderte allerdings nahezu komplett durch Uferausbau und Flussbegradigungen.

Eine Zielstellung im Projekt „Lebendige Auen für die Elbe“ war es, den Kälberwerder auch bei niedrigen Wasserständen der Elbe wieder umfließen zu lassen. So kann an dieser Stelle wieder eine Flusslandschaft entstehen, wie es sie vermutlich vor 150 Jahren gab. Doch die damit verbundenen aufwendigen Baggerarbeiten dienen nicht ästhetischen oder historischen Beweggründen. Vielmehr wird dem Strom eine weitere wichtige Struktur hinzugefügt. Diese selten gewordenen Flutrinnen bieten besonders abwechslungsreiche und wichtige Lebensräume. Manche Bereiche sind stark durchströmt, andere schwach. So finden verschiedene Fischarten, wie Zander und Steinbeißer dort ideale Bedingungen zum Laichen und zur Aufzucht ihres Nachwuchses – eine perfekte Kinderstube also. Auch Libellen und andere Insekten profitieren von diesem besonderen Lebensraum. Die wahre Bedeutung dieser Flussinsel liegt also in ihrem Wert für die biologische Vielfalt.

Um dies zu ermöglichen, hat das BUND-Auenzentrum die verlandeten Bereiche der 1,5 km langen Nebenrinne ausbaggern lassen. In der Folge wird der Kälberwerder nun wieder zu einer Flussinsel, die bei niedrigen Wasserständen der Elbe vollständig umflossen wird. Um eine landwirtschaftliche Nutzung der dort befindlichen Weiden auch weiterhin zu gewährleisten, sollen als Überfahrt zwei groß dimensionierte Rohrdurchlässe, sogenannte „Maulprofile“, eingebaut werden. So ist ein Zugang zum Gebiet ganzjährig möglich. Für den Bau dieser Überfahrt wurde zunächst ein so genannter Spundwandkasten errichtet. Diese Einfassung war nötig, um eine trockene Baugrube zu schaffen. Dazu wurden Spundwandbohlen aus Stahl mit einer Ramme circa 10 Meter tief in den Boden getrieben. Nach anfänglichen Bauverzögerungen durch den hohen Wasserstand der Elbe, sind die Arbeiten zur Herstellung des Spundwandkastens abgeschlossen. Die Restarbeiten zur Verlegung der Rohrdurchlässe sollen dann im Januar - je nach Witterungs- und Wasserstandbedingungen abgeschlossen werden.

 

Hintergrund:

Das Projekt „Lebendige Auen für die Elbe“ - Vorzeigeprojekt für ökologische Entwicklung an der Elbe (2012-2020), Projektträger: Trägerverbund Burg Lenzen e.V.

Die Elbe hat durch den Bau von Deichen über 80 Prozent ihrer natürlichen Überschwemmungsflächen verloren – und damit die typischen Lebensräume der Auen. Intakte Auen zählen aber zu den artenreichsten Biotopen in Mitteleuropa uns sind damit sehr bedeutsam für die Erhaltung der biologischen Vielfalt. Zudem stellen sie vielfältige Leistungen für uns Menschen zu Verfügung, so tragen sie beispielsweise wesentlich zum Klima- und Hochwasserschutz bei. Daher ist es besonders wichtig, die verbliebenen naturnahen Auen zu erhalten und miteinander zu vernetzen. Eines der noch existierenden Auen-Juwele an der Elbe ist das Gebiet der Hohen Garbe im Biosphärenreservat Flusslandschaft Elbe. Auf dieser Halbinsel in der nördlichen Altmark erstreckt sich ein Auwald über 200 Hektar. Eichen und Flatterulmen mit einem hohen Anteil an Alt- und Totholz bilden eine typische Hartholzaue; Schwarzstörche und Mittelspechte fühlen sich hier ebenso zu Hause wie Seeadler, Fischotter und Biber. Die Hohe Garbe zählt zu den größten und wichtigsten verbliebenen Hartholzauen an diesem Abschnitt der Elbe.

Doch eine Aue muss regelmäßig überschwemmt werden, um lebendig zu bleiben. In der Hohen Garbe war diese natürliche Dynamik des Flusses lange Zeit unterbrochen: Ein alter Deich trennte sie vom Strom ab, das Wasser gelangte nur verzögert in den Auwald. War es jedoch einmal da, konnte es kaum wieder abfließen. Durch die „Schlitzung“ des alten Deiches an verschiedenen Stellen und die Wiederanbindung von Flutrinnen kann das Wasser der Elbe nun wieder ein- und ausfließen, die Hohe Garbe wurde also wieder an die natürliche Abflussdynamik der Elbe angebunden. Folglich fließt die Elbe nun schon bei kleineren Hochwassern in die Hohe Garbe. Fällt der Elbe-Pegel, zieht sich das Wasser wieder zurück und hinterlässt wassergefüllte Senken und Rinnen. Sie bieten Lebensraum für Fische, Frösche, Unken und viele Insektenarten, so dass auch Vögel dort reichlich Nahrung finden. Durch die „wiedergewonnene“ natürliche Dynamik bleibt der wertvolle Auwald der Hohen Garbe erhalten. Und mit der Pflanzung von über 14.000 Bäumen und Sträuchern hat der Trägerverbund Burg Lenzen e.V. ihm neues Leben eingehaucht. Von Pflanzkreisen aus kann sich der neue Wald auf natürliche Weise ausbreiten. Dieser wird sich zukünftig selbst überlassen. Aus 200 Hektar werden so 240 Hektar Auwald! Davon profitiert die Biologische Vielfalt, zusätzlich leistet das Projekt des Trägerverbunds Burg Lenzen e.V. einen Beitrag zum Klimaschutz und Wasserrückhalt.

Das Projekt „Lebendige Auen für die Elbe“ wurde vom Bundesamt für Naturschutz mit Mitteln des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz, Bau und nukleare Sicherheit im Bundesprogramm Biologische Vielfalt gefördert. Weitere Unterstützer sind Lotto Sachsen-Anhalt, Umwelt-stiftung Michael Otto, Stiftung Umwelt, Natur- und Klimaschutz des Landes SachsenAnhalt, Allianz-Umweltstiftung, Deutsche Postcode Lotterie.

Gebiet

  • Biosphärenreservat Flusslandschaft Elbe

Meldung vom 22.12.2020