Rückblick zur "Moorfrosch-Tagung 2025: Schutz, Lebensraum und Perspektiven"

Am 20. und 21. Mai 2025 fand im UNESCO-Biosphärenreservat Flusslandschaft Elbe-Brandenburg eine zweitägige wissenschaftliche Fachtagung zur aktuellen Situation des Moorfrosches (Rana arvalis) statt. Im Fokus standen Ursachen für den dramatischen Rückgang der Art, innovative Schutzmaßnahmen und das Vorzeigeprojekt "SOS arvalis". Veranstalter waren die Verwaltung des Biosphärenreservats Flusslandschaft Elbe-Brandenburg und der gleichnamige Förderverein.

Fachlicher Austausch über Bestandsrückgang und Schutzstrategien
Die Veranstaltung brachte Expertinnen und Experten aus Wissenschaft, Naturschutz und Verwaltung zusammen, um die alarmierende Situation des Moorfrosches in Brandenburg und darüber hinaus zu beleuchten. Besonders die Elbtalaue, einst ein Hotspot für die Art, zeigt seit den Dürrejahren ab 2018 dramatische Verluste: Über 60 Prozent der bekannten Populationen gelten inzwischen als verschwunden, nur 1,8 Prozent der Restvorkommen erreichen noch stabilisierende Rufzahlen zur Laichzeit.

Die Tagung diente der wissenschaftlichen Einordnung dieses Rückgangs und der Vorstellung aktueller Schutzansätze. Als FFH-Zielart steht der Moorfrosch unter besonderem europäischem Schutz. Sein Schicksal ist symptomatisch für viele Amphibienarten Deutschlands, von denen laut Bundesamt für Naturschutz etwa die Hälfte als bedroht oder potenziell gefährdet eingestuft ist.

Fachvorträge: Ursachen, Monitoring, Management
Zwei Vortragsblöcke mit insgesamt neun Beiträgen deckten ein breites Themenspektrum ab:

  • Der Moorfrosch in der Prignitz – Biologie, Verbreitung, Bestandsentwicklung
    Stefan Jansen, Biologe

  • Der Einfluss des Klimawandels auf den Wasserhaushalt des Biosphärenreservates Flusslandschaft Elbe-Brandenburg
    Rebekka Eichstädt, Ministerium für Wirtschaft, Arbeit, Energie und Klimaschutz, Referat 63 Klimamonitoring

  • Refugiallebensräume des Moorfrosches: Bedeutung von Gehölzen im Landlebensraum
    Henrik Kempkes, LfU Brandenburg, Referat N7, Biosphärenreservat Flusslandschaft Elbe-Brandenburg

  • Sommerlebensräume des Moorfrosches – Pflege und Management
    Florian Bibelriether, AmphiConsult

  • Der Moorfrosch in der dynamischen Aue – ein Querschnitt aus 15 Jahren Amphibienkartierung in der Deichrückverlegung
    Dr. Julian Glos, Universität Hamburg

  • Metabarcoding und passive Probennahme: Innovative eDNA-Methoden für ein effizientes Amphibienmonitoring
    Johannes Meka, Freshwater Conservation Genomics, Universität Strasbourg & Rheinland-Pfälzische Universität Kaiserslautern-Landau

  • Prädation durch invasive Neozoen: Parasitologische und nahrungsökologische Untersuchungsmethoden
    Anne Steinhoff, Institut für Integrative Parasitologie & Zoophysiologie, Goethe-Universität Frankfurt am Main

  • Aktives Prädatorenmanagement – der Gamechanger im Artenschutz?
    Paul Rössler, Berufsjäger, Stiftung Umwelt und Naturschutz Mecklenburg-Vorpommern

  • Der Kalikokrebs als massive Bedrohung für die Restbestände des Moorfrosches am Oberrhein
    Prof. Dr. Andreas Martens, Institut für Biologie und Schulgartenentwicklung, PH Karlsruhe

Im Anschluss an die Vorträge luden die Referentinnen und Referenten zu thematisch gebündelten Workshops ein. Die Ergebnisse dieser Workshops wurden dokumentiert und am Ende des ersten Veranstaltungstags vorgestellt.

Workshops: Vertiefung und Handlungsperspektiven
Vier thematisch gebündelte Workshops vertieften die Diskussion:

  • Workshop 1: Habitatgestaltung und -pflege
    Zentrale Themen waren Priorisierung von Maßnahmenflächen und ganzheitliche Herangehensweisen, die alle Teillebensräume des Moorfrosches integrieren. Die Frage nach dem „optimalen Habitat“ wurde unter verschiedenen historischen und funktionalen Ansätzen diskutiert.

  • Workshop 2: Forschungsfragen und Untersuchungsbedarf
    Untersuchungsbedarf besteht bei Agrochemikalien, Wasserchemie, Infektionskrankheiten, genetischer Verarmung und Habitatfragmentierung. Alte Monitoringdaten sollten systematisch aufbereitet werden. Wirkungskontrollen von Maßnahmen sind künftig essenziell.

  • Workshop 3: Prädatoren und Konkurrenz
    Thematisiert wurden Imageprobleme von Neozoen, gesetzliche Hürden beim Management, Prämienmodelle, Hygieneaspekte und die Notwendigkeit eines großflächigen Prädationsmonitorings. Auch die Rolle von Jägerschaft und Bevölkerung wurde diskutiert.

  • Workshop 4: Artenschutzkonzept Moorfrosch
    Top-Maßnahme ist der Wasserrückhalt in der Landschaft, flankiert von Umweltbildung, Gewässersanierung, Flächenpools und Kommunikation. Ein umfassendes Konzept soll auch Schwerpunkträume und Finanzierungsmöglichkeiten benennen.

Abschlussdiskussion
Diskutiert wurden u. a. historische Kulturlandschaften, Biberstaue, Drainagenproblematik, Populationsgenetik und molekulare Methoden. Als Konsens zeichnete sich die Bedeutung von funktionierenden Feuchtlebensräumen und flexiblen Schutzstrategien ab.

Exkursion: Das Projekt „SOS arvalis“ in der Praxis
Die Exkursion ins Rambower Moor demonstrierte eindrücklich das Headstarting-Modell: Die Larvenentwicklung erfolgt geschützt, wodurch über 95 % der Tiere als Jungfrösche überleben – im Vergleich zu nur 5 % in der Natur. Laichherkünfte werden genetisch getrennt gehalten. Erste Erfolge zeigen sich: In Rühstädt wurde erstmals wieder Laich von ausgewilderten Tieren nachgewiesen.

Nach der Aussetzaktion folgten Führungen durch das Rambower Moor, die sowohl die Besonderheiten des Gebietes als funktionierender Amphibienlebensraum als auch weitere floristische und faunistische Highlights vorstellten.

Regionaler Befund: Der Moorfrosch in der Elbtalaue
Zur Laichzeit engagierten sich erneut zahlreiche Helfende in der Erfassung. Eine neue Abschlussarbeit begann mit Habitatanalysen. Zwei besonders erfreuliche Funde: Wiederentdeckung einer verschollenen Population bei Nebelin (über 50 rufende Männchen) sowie erstmalige Fortpflanzung in einem früher verwaisten Gewässer bei Rühstädt. Dort wurden 11 Laichballen dokumentiert – ein Hoffnungsschimmer für das Projekt "SOS arvalis".

Die Ergebnisse unterstreichen: Es gibt trotz dramatischer Verluste Hoffnung – durch gezielte Maßnahmen, Vernetzung und Engagement aller Beteiligten.

Gebiet

  • Biosphärenreservat Flusslandschaft Elbe

Meldung vom 09.06.2025