Vierbeinige Landschaftspfleger: Wie eine Waldweide die Dünenwälder der Prignitz erhält

Ein ungewöhnliches Bild bietet sich in den Fuchsbergen bei Hinzdorf: Hunderte Schafe und Ziegen ziehen nicht über eine grüne Wiese, sondern durch einen lichten Wald aus Kiefern und Eichen. Was wie ein idyllischer Anblick aus vergangenen Zeiten wirkt, ist in Wahrheit ein Naturschutzprojekt. Durch die traditionelle Methode der Waldweide soll hier ein seltener und wertvoller Lebensraum für die Zukunft gesichert werden.

Ein Projekt als Ausgleich: Die Hintergründe der Maßnahme

Die Beweidung ist Teil einer offiziellen Ausgleichs- und Ersatzmaßnahme im Rahmen des Landschaftspflegerischen Begleitplans zur Sanierung des Elbdeichs. Durch den Deichbau im Abschnitt Gnevsdorf-Wittenberge kam es zu Eingriffen und dem Verlust von Waldflächen und Biotopen auf Binnendünen. Um diese Eingriffe zu kompensieren, wurde das Projekt „Biotopentwicklungsmaßnahme durch Waldweide in den Fuchsbergen“ ins Leben gerufen.

Die rund 5,3 Hektar große Fläche liegt in einem Gebiet von herausragender ökologischer Bedeutung. Sie ist Teil des FFH-Gebietes „Elbdeichhinterland“ und des Naturschutzgebietes „Wittenberge-Rühstädter Elbniederung“. Eigentümer der Flächen ist das Land Brandenburg, in Teilen auch der Naturschutzfonds Brandenburg, was die langfristige Sicherung des Projekts unterstreicht.

Das Ziel: Ein lichter Wald für Eichen und seltene Flechten

Das naturschutzfachliche Leitbild ist ambitioniert: die Entwicklung eines lichten, trockenrasendurchsetzten Stieleichen-Kiefern-Dünenwaldes. Solche Wälder, insbesondere auf den für die Region typischen Binnendünen, sind selten geworden. Ein Hauptproblem ist die zunehmende „Vergrasung“. Insbesondere das konkurrenzstarke Land-Reitgras bildet eine dichte Matte am Boden, die das Aufkommen von jungen Bäumen und seltenen Pflanzen verhindert.

Genau hier setzt das Projekt an, um zwei zentrale Ziele zu erreichen:

  1. Naturverjüngung fördern: Die Schafe und Ziegen fressen das dominante Gras und schaffen so Platz und Licht für junge Eichenkeimlinge. Um den bereits vorhandenen Nachwuchs zu sichern, wurden rund 150 junge Eichen mit einem speziellen Einzelschutz versehen, der sie vor dem Verbiss durch die Tiere schützt.

  2. Lebensraum für Flechten schaffen: Durch den Tritt der Hufe wird die dichte Grasnarbe aufgebrochen. Auf diesen offenen, sandigen Stellen können sich wieder flechtenreiche Silbergras-Pionierfluren entwickeln. Ein besonderes Augenmerk liegt dabei auf den Rentierflechten (Gattung Cladonia), die auf solche kargen, sonnigen Standorte angewiesen sind.

Die Wiederherstellung solch komplexer Ökosysteme ist ein langwieriger Prozess. Die Projektentwickler veranschlagen eine Entwicklungsdauer von 25 bis 80 Jahren – die auf fünf Jahre angelegte Beweidung ist also nur der entscheidende Anstoß für eine langfristige Entwicklung.

Die Methode: Eine vielfältige Herde im Kurzzeiteinsatz

Für die praktische Umsetzung sorgt ein Schäfer mit seinem Landwirtschaftsbetrieb aus Cumlosen. Der Betrieb hat sich auf die Landschaftspflege mit Schafen spezialisiert und bewirtschaftet mit seinen rund 2000 Tieren vorrangig die Deiche entlang der Elbe. Neben der Tierhaltung umfasst der Betrieb rund 650 Hektar Grünland, auf dem Futter für die eigenen Tiere sowie für den Verkauf an Pferdehöfe produziert wird. Die Schafhaltung dient dabei fast ausschließlich der Landschaftspflege; die Fleischproduktion spielt eine untergeordnete Rolle, da sie sich wirtschaftlich nicht mehr lohnt.

Für das Projekt in den Fuchsbergen bringt der Schäfer eine Herde von rund 700 Tieren zum Einsatz. Die Zusammensetzung ist dabei kein Zufall, sondern eine gezielte Strategie. Die Herde besteht aus verschiedenen Rassen mit unterschiedlichen Eigenschaften:

  • Schwarzköpfige Fleischschafe: Als sogenannte Intensivrasse fressen sie viel und üben durch ihr höheres Gewicht einen stärkeren Tritt auf den Boden aus, was ideal ist, um die Grasnarbe aufzubrechen.

  • Heidschnucken und Skudden: Diese leichteren und robusteren Landschafrassen sind genügsamer und fressen auch Pflanzen, die andere Tiere verschmähen.

  • Ziegen: Sie ergänzen die Herde perfekt, da sie eine Vorliebe für Gehölze haben und so aufkommende Sträucher wie den Faulbaum kurzhalten, was zur Auflichtung des Waldes beiträgt.

Die Beweidung findet zweimal im Jahr statt, im Frühjahr und im Herbst. Dabei wird die Herde für nur etwa zwei Tage auf die Fläche gelassen. Dieser hohe, aber kurze Beweidungsdruck sorgt für einen intensiven Effekt, ohne die Böden zu überlasten.

Ausblick: Ein Lernprozess für die Zukunft

Das Projekt in den Fuchsbergen ist mehr als nur eine Pflegemaßnahme; es ist auch ein Lernprozess. Die Waldweide, einst eine weit verbreitete Nutzungsform, muss für den modernen Naturschutz wiederentdeckt werden. Die Erfahrungen aus diesem Vorhaben sind wertvoll, um zu verstehen, wie sich solche Ökosysteme unter Beweidung entwickeln. Erste Erfolge sind bereits sichtbar: Der Boden ist an vielen Stellen offener und die dichte Grasdecke durchbrochen.

Das Projekt zeigt eindrucksvoll, wie durch eine durchdachte Kombination aus traditioneller Landnutzung und modernen ökologischen Zielen ein wertvoller Beitrag zum Erhalt der Artenvielfalt geleistet werden kann. Es braucht Geduld, aber der Anblick der vierbeinigen Landschaftspfleger, die in den Fuchsbergen ihre Arbeit verrichten, gibt Hoffnung für die Zukunft dieser einzigartigen Dünenlandschaft.

Die Fördersumme beträgt rund 45.000 € für die fünfjährige Laufzeit und wird aus Länder- sowie Bundesmitteln generiert. Umgesetzt wird das Projekt vom Referat W21 für Hochwasserschutz und investiven Wasserbau des Landesamtes für Umwelt Brandenburg. 

Das Projekt unterstützt die Ziele des europaweiten Schutzgebietsnetzes Natura 2000. FFH-Gebiete (Flora-Fauna-Habitat) werden ausgewiesen, um den länderübergreifenden Schutz gefährdeter heimischer Pflanzen, Tiere und ihrer natürlichen Lebensräume sicherzustellen.

Gebiet

  • Biosphärenreservat Flusslandschaft Elbe

Meldung vom 16.10.2025